Geliebte Schwindlerin
sein, besonders für einen Mann.“
Erstaunt hob er die Brauen. „Für eine Frau etwa nicht? Sicher wäre es unerfreulich für Sie, keine schönen Kleider zu besitzen und keine Verehrer zu haben, die alles bezahlen.“
Ruckartig drehte sie sich zu ihm um und sagte impulsiv: „Ich würde mir niemals etwas bezahlen lassen. Das tut keine …“ „Lady“ hatte sie sagen wollen, unterbrach sich aber rechtzeitig, weil solche Reden einer Revuetänzerin nicht zukamen und sie Connie nicht bloßstellen wollte.
Sie war buchstäblich aus der Rolle gefallen und spürte, daß es dem Grafen nicht entgangen war.
„Wollen Sie damit sagen“, bemerkte er ungläubig, „Sie verdanken Ihre schönen Kleider nicht der Großzügigkeit Ihrer Verehrer? Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Robe, die Sie gestern abend getragen haben, und das elegante Kleid, in dem Sie heute morgen erschienen, von Ihrer Gage bezahlt wurden.“
Trotzig hob Minella das Kinn, entschlossen, sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen.
„Wenn Sie’s genau wissen wollen“, entgegnete sie, „ich habe mir das alles ausgeliehen, um Ihnen zu imponieren, und muß es zurückgeben, sobald ich wieder in London bin.“
Der Graf lachte herzhaft. „Also gut, Minella“, gab er sich geschlagen, „diese Runde ging an Sie. Einer so originellen Erklärung kann ich mich nicht entziehen.“
„Ihr Irrtum sei Ihnen verziehen“, ging Minella auf seinen scherzhaften Ton ein. „Darf ich Sarazene wieder galoppieren lassen? Die Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder.“
Ohne die Erlaubnis des Grafen abzuwarten, gab sie dem Hengst einen leichten Schlag mit der Peitsche. Mit einem Riesensatz jagte er los und machte es dem Pferd des Grafen schwer, mit ihm Schritt zu nahen.
5
Als sie sich fürs Abendessen umkleidete, gestand sie sich ein, diesen herrlichen, abwechslungsreichen Tag in vollen Zügen genossen zu haben.
Nach dem anregenden Morgenritt und einem reichhaltigen Lunch in fröhlicher Runde waren sie mit zwei flotten Phaetons zu einer Kutschfahrt aufgebrochen.
Sobald sie den Park hinter sich gelassen und einen Feldweg in flachem Gelände erreicht hatten, kam es zwischen Archie und dem Grafen zu einer wilden Wettfahrt, die der Graf gewonnen hatte. Minella fand das selbstverständlich, obwohl Archie sich ebenfalls als geübter Fahrer erwies, der seinem Rivalen einen harten Kampf lieferte.
Auf diese Weise lernte sie einen Teil des stolzen Besitzes kennen, der zum Schloß gehörte und vom Grafen vorbildlich in Ordnung gehalten wurde.
Die Bauernhäuser waren frisch getüncht, und alle Leute, die ihnen begegneten, grüßten ehrerbietig, aber mit freundlichem Lächeln.
„Ich habe den Eindruck, Ihre Leute mögen Sie sehr“, stellte Minella fest.
„Ich hoffe, daß sie mich für gerecht und großzügig halten; mehr erwarten sie nicht von ihrem Herrn.“
„Ich glaube, sie erwarten einiges mehr“, widersprach Minella. „Die Menschen brauchen Zuwendung. Obwohl wir nie Geld hatten, wurde meine Mutter von allen Leuten geliebt. Als sie gestorben war, schmückten Berge von Blumen ihr Grab, die von echter Zuneigung zeugten.“
Sie konnte nicht verhindern, daß ihre Stimme ein wenig zitterte, weil es sie noch immer schmerzte, ihre Mutter verloren zu haben.
„Was war Ihr Vater?“ fragte der Graf unvermittelt.
Zu spät erkannte Minella, daß sie ihre Rolle als junge Schauspielerin vergessen und von sich selbst gesprochen hatte.
Nach kurzem Überlegen antwortete sie: „Er besaß ein paar Acker Land.“
„Er war also Bauer“, sagte der Graf, „und vermutlich lieben Sie deshalb das Landleben und haben Spaß am Reiten.“
Minella wußte nicht, was sie darauf antworten sollte, und er fuhr fort, als setze er seinen Gedankengang fort: „Warum haben Sie sich dann für die Bühne entschieden? Das muß für Sie doch eine völlig fremde Welt sein.“
Ihr fiel es schwer, darauf eine Antwort zu finden. „Ich muß mir meinen Lebensunterhalt verdienen“, sagte sie dann.
„Und Sie genießen natürlich auch die berauschende Wirkung des Applauses“, ergänzte der Graf, und seine Stimme hatte wieder den trockenen, spöttischen Klang, der sie verletzte. Deshalb erklärte sie hastig:
„Ich bin nie so glücklich gewesen wie jetzt hier auf dem Schloß.“
„Ist das wirklich wahr?“ fragte er.
„Natürlich ist es die Wahrheit. Warum sollte ich Sie anlügen? Es sind nicht allein der Luxus und die Pracht, die mich hier umgeben und mich glücklich machen,
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