Geliebte Schwindlerin
allein gesprochen.“
„Wie Sie wünschen“, erwiderte sie. „Wohin soll ich kommen?“
„In mein Privatbüro“, sagte der Graf. „Einer der Lakaien wird Ihnen den Weg zeigen.“
Sie hatte keine Ahnung, was er ihr so Wichtiges zu sagen haben könnte, aber Sarazene erwartete sie draußen, und nichts konnte ihre Vorfreude trüben.
Zwei Stunden später entledigte sie sich ihrer Reitkleidung und überlegte dabei, ob der Graf absichtlich auf einem kürzeren Ritt bestanden hatte, um ungestört mit ihr reden zu können, bevor die anderen unten erschienen.
Sie läutete nach Rose und erfuhr, daß es wieder einmal drei Uhr nachts gewesen war, als die anderen ins Bett gekommen waren.
„Vor dem Lunch wird keiner von ihnen erscheinen, Miß, das ist gewiß“, sagte kose. „Dabei sage ich immer, wer den Morgen verschläft, versäumt die schönste Zeit des Tages.“
„Ich bin völlig Ihrer Meinung, Rose“, erwiderte Minella, „und dieser Morgen war besonders schön für mich, weil ich das prächtigste Pferd reiten durfte, das ich jemals in meinem Leben unter dem Sattel hatte.“ In Gedanken fügte sie hinzu: … und wahrscheinlich haben werde. Eine betrübliche Vorstellung, fand sie.
Sie versuchte sich damit zu trösten, daß der Tag noch vieles Schöne bringen konnte, bevor sie nach London zurückkehren mußte.
Das Kleid, das Natty ihr ausgesucht hatte, war sehr elegant, und die zartblaue Farbe paßte gut zu ihrem Haar und ihrem Teint.
Sie hatte es jedoch so eilig, zum Grafen zu kommen, daß sie sich nicht die Zeit zu einem kritischen Blick in den Spiegel nahm.
Kaum hatte Rose die vielen Haarnadeln aus ihrem Haar gelöst, da rannte sie schon zur Tür und den Gang hinunter zur Treppe.
Ein Diener erwartete sie in der Halle. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Miß“, sagte er.
Er führte sie einen Gang entlang, den sie noch nicht kannte, und hielt ihr eine Tür auf. Der Graf erwartete sie bereits in einem sehr gemütlichen, gleichzeitig aber imposanten Herrenzimmer. Gemälde von Wooton und Sartorius Stubbs zierten die Wände, und vor dem Kamin befanden sich Polstersessel und ein Sofa mit rotem Lederbezug.
Minella hatte jedoch nur Augen für den Grafen, der sich ebenfalls umgezogen hatte. Obwohl er in seinem Abendanzug sehr gut und stattlich aussah, gefiel er ihr im sportlichen Reitdreß doch besser.
„Sie haben sich sehr beeilt, Minella“, stellte er fest. „Die meisten Frauen brauchen Stunden, um sich umzukleiden, aber Sie sind es vermutlich durch Ihre Auftritte auf der Bühne gewöhnt, rasch die Kleidung zu wechseln.“
Minella lächelte nur, sagte aber nichts.
Sie trat vor den Kamin und streckte die Hände übers Feuer, um sie zu wärmen.
Der Graf beobachtete sie aufmerksam und sagte dann: „Setzen Sie sich, Minella. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.“
Sie kam seiner Aufforderung nach und sah ihn besorgt an, denn er war plötzlich auffallend ernst.
Er stand mit dem Rücken zum Kamin und begann zögernd: „Was ich Ihnen jetzt sage, ist streng vertraulich. Sie müssen mir Ihr Ehrenwort geben, mit niemandem darüber zu sprechen.“
„Selbstverständlich verspreche ich das“, erwiderte Minella.
„Bei allem, was Ihnen heilig ist? Ich habe das Gefühl, daß Sie regelmäßig Ihre Gebete verrichten.“
„Morgens und abends.“
Sein Lächeln verriet, daß er das erwartet hatte, doch dann wurde er wieder ernst und, so unglaublich es ihr auch erschien, verriet sogar Nervosität.
„Vor etwa zwei Jahren habe ich geheiratet“, sagte er ausdruckslos.
Überrascht sah Minella ihn an. Davon hatte Connie nichts erwähnt.
„Wie der Zufall so spielt“, fuhr der Graf fort, „war sie Ihnen sehr ähnlich.“
„Mir ähnlich?“
„Sie hatte helles Haar, die gleiche Augenfarbe wie Sie, war aber, ohne Ihnen schmeicheln zu wollen, nicht halb so schön wie Sie.“
„Vielen Dank“, sagte Minella verlegen.
„Es war eine überstürzte Heirat“, gestand der Graf, „und rückblickend muß ich feststellen, daß ich nicht nur von meiner Mutter dazu gedrängt wurde, die mich unbedingt verheiraten wollte, sondern auch vom Vater meiner Frau, einem sehr angesehenen Botschafter im Ruhestand.“
Einen Augenblick schwieg er, dann fuhr er versonnen fort, so als sähe er alles bildlich vor sich: „Es geschah in Südfrankreich, wo meine Mutter in der Nähe von Nizza eine Villa bewohnt, weil sie das englische Klima nicht verträgt. In ihrer Nachbarschaft befand sich die Villa des Botschafters. Er und
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