Geliebte Schwindlerin
beleuchteten die stilvolle Einrichtung und die Fülle von Treibhausblüten, die den Raum schmückten.
Zielstrebig ging der Graf auf die Tür zu Minellas Schlafzimmer zu, die an der anderen Seite durch einen bodenlangen Spiegel getarnt und nur Eingeweihten bekannt war.
Leise drückte er sie auf. Völlige Dunkelheit empfing ihn. Er hatte angenommen, es Minella deutlich gemacht zu haben, daß er bald kommen werde.
Er holte eine Kerze aus dem angrenzenden Boudoir, hielt die Hand vor die Flamme und trat an das breite Bett. Dabei lächelte er vor sich hin. Dieses Mädchen war in jeder Beziehung ungewöhnlich.
Andere Frauen, denen er seine Gunst geschenkt hatte, pflegten ihn in ein durchsichtiges Negligé gehüllt sehnsüchtig zu erwarten, mit verräterischem Glanz in den Augen und verführerischem Lächeln auf den Lippen.
Nur gelegentlich hatte es eine gegeben, die vorgab, zu lesen und sein Eintraten nicht erwartet zu haben. Doch einen erfahrenen Mann wie ihn hatten auch sie nicht täuschen können.
Und nun trat er zum erstenmal in einen stockdunklen Raum, und als er sich dem Bett näherte, stellte er fest, daß Minella schlief oder zumindest vorgab zu schlafen.
Ihre langen Wimpern waren geschlossen, das Haar fiel in wirren Locken über ihre Schultern.
Und dann bemerkte er etwas, das er zunächst nicht glauben konnte. Er zwinkerte mit den Augen, weil er es für eine optische Täuschung hielt. Doch dann erkannte er, daß sie tatsächlich nicht allein war.
An ihre Schulter gekuschelt, schlief ein ebenfalls hellhaariges Mädchen bei ihr.
Er hob die Kerze höher und konnte die beiden Schlafenden besser erkennen. Minella sah sehr jung und unschuldig aus im Schlaf, und doch war er nach wie vor überzeugt davon, daß sie ihm die Unschuld nur vorspielte.
Am vergangenen Abend hatte er sie noch für die begabteste Schauspielerin gehalten, die ihm je begegnet war und ihre Rolle als unschuldiges Mädchen, das unversehens in eine etwas frivole Hausparty geraten war, großartig spielte.
Den ganzen Tag über war er mit ihr zusammengewesen, hatte sich mit ihr unterhalten und ihr zugehört und keinen Makel an ihrem Benehmen entdecken können.
Schlief sie tatsächlich fest, oder wollte sie ihn nur täuschen? Nach einigen Minuten mußte er sich jedoch eingestehen, daß selbst die beste Schauspielerin dieses gleichmäßige Heben und Senken der Brust unter tiefen Atemzügen und die entspannte Fingerhaltung ihrer auf dem Spitzenbesatz ruhenden Hände nicht so lange hätte durchhalten können.
Sein Lächeln, mit dem er auf die Schlafende blickte, war diesmal weder spöttisch noch überheblich. Auf dem gleichen Weg, den er gekommen war, entfernte er sich wieder. Lautlos fiel die Spiegeltür hinter ihm ins Schloß.
„Wo ist meine Mami?“ fragte Elspeth am nächsten Morgen, und Minella war sofort hellwach.
„Wenn wir läuten, ist sie gleich bei uns“, antwortete sie, „falls es nicht noch zu früh ist.“
Sie stand auf und zog die Vorhänge zurück. Ein kurzer Blick auf die hübsche französische Uhr auf dem Kaminsims belehrte sie, daß es halb acht war. Sie hatten beide wunderbar durchgeschlafen.
„Ich hab’ mein Taschentuch verloren“, sagte Elspeth und kroch im Bett umher, um es zu suchen.
Inzwischen betätigte Minella die Klingel. Kurz darauf erschien Rose und wollte sich wortreich entschuldigen. Minella wollte nichts hören.
„Ich hoffe, Sie haben so gut geschlafen wie wir beide“, sagte sie.
„Wie ein Murmeltier, Miß, das können Sie mir glauben. Ich habe alles nachgeholt, was ich in den vergangenen Nächten wegen meinem kleinen Simon versäumt hatte. Es war ganz reizend von Ihnen, wirklich!“
Sie brachte Elspeth in ihre Kammer und kehrte dann zurück, um Minella beim Ankleiden zu helfen. Obwohl sie sich mehr Zeit ließ, um sich hübsch zu machen, als am Tag zuvor, war sie die erste im Frühstückszimmer. Erst drei, vier Minuten später erschien der Graf.
„Heute morgen bin ich Ihnen zuvorgekommen!“ rief sie aus.
„Ich hoffe, Sie hatten eine gute Nacht“, sagte er.
„Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier, um mit Rose zu sprechen.“
Seine Augen hatten einen eigentümlichen Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte, aber sie machte sich keine Gedanken darüber, sondern wollte so schnell wie möglich zu den Ställen aufbrechen.
Nachdem sie das Frühstück beendet hatten und sich zur Tür begaben, sagte der Graf beiläufig: „Wenn Sie von Ihrem Ausritt zurück sind, Minella, hätte ich Sie gern
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