Geliebte Schwindlerin
von General Gordon gerächt.“
Der Graf hob die Brauen, als setze ihn ihr Wissen in Erstaunen, dann fuhr er fort: „Ihre Majestät hat die Bitte geäußert, die Bankette des Khediven, also des Vizekönigs von Ägypten, die dieser zu Ehren von Lord Kitchener gibt, und alle anderen Festlichkeiten in Begleitung meiner Frau zu besuchen.“
Minella hielt geräuschvoll den Atem an. „Das … ist sehr peinlich für Sie. Was wollen Sie tun?“
Der Graf sah sie an.
„Ich hoffte, da Sie eine Beschäftigung suchen, daß ich Sie für diese Rolle gewinnen könnte.“
„Ich … ich verstehe Sie nicht.“
„Das ist doch ganz einfach“, erwiderte er. „Sie sehen meiner Frau so ähnlich, daß selbst diejenigen meiner Bekannten, die sie von Fotografien her kennen, keine Fragen stellen werden. Außerdem sagte ich Ihnen bereits, daß ich Sie für eine vorzügliche Schauspielerin halte, deren Vorstellung hier ohne Tadel war.“
„Meine … Vorstellung?“
Ein belustigtes Lächeln umspielte die Lippen des Grafen, als er erklärte:
„Die Art, wie Sie sprechen und sich benehmen, wäre einer Aristokratin würdig, ebenso Ihr Aussehen, wenn es natürlich ist wie bei unseren morgendlichen Ausritten.“
Minella stockte der Atem.
„Aber das ist doch etwas ganz anderes, als die Rolle Ihrer Frau zu spielen“, sagte sie dann tonlos.
„Ich werde schon aufpassen, daß Sie keine Fehler machen“, sagte der Graf zuversichtlich. „Es handelt sich ja nur um einen etwa dreitägigen Aufenthalt in Ägypten und ein Zusammentreffen mit den Offizieren des Schlachtschiffes, auf dem wir zu Gast sein werden.“
„Auf einem Schlachtschiff?“
„Es wird uns nach Ägypten bringen und möglicherweise auf der Rückreise General Kitchener an Bord haben.“
„Ein Schlachtschiff!“ murmelte Minella vor sich hin.
Es war schon immer ihr sehnlichster Wunsch gewesen, einmal ein solches Schiff besichtigen zu dürfen, aber auch in diesem Fall hatte sie sich damit begnügen müssen, was ihr Vater ihr über diese großen Schiffe erzählt hatte, die auf allen Weltmeeren zu Hause waren.
„Sicher werden Sie das rein geschäftsmäßig handhaben wollen“, ließ der Graf sich vernehmen. „Wenn Sie meinen Auftrag annehmen und alle Bedingungen akzeptieren, die ich stelle, bin ich bereit, Ihnen 500 Pfund zu zahlen, Minella, was Ihnen sicher helfen würde, die Zeit, bis Sie die von Ihnen angestrebte Beschäftigung gefunden haben, zu überbrücken.“
„Das ist zuviel!“ sagte Minella erschrocken.
Der Graf lachte. „Das passiert mir zum erstenmal, daß es einer Frau zuviel ist, was ich für sie ausgeben will.“
„Aber es ist so! Schließlich ist es nur ein kurzer Auftrag …“ Sie unterbrach sich und überlegte kurz. „Natürlich müßte ich mir passende Kleidung kaufen“, fügte sie dann hinzu.
„Daran habe ich bereits gedacht“, erklärte der Graf, „denn uns bleibt keine Zeit für Einkäufe. Wenn meine Gäste morgen mittag abgefahren sind, nehme ich den nächsten Zug nach Southampton.“
Er sah sie fest an und fügte hinzu: „Und ich möchte, daß Sie mit mir kommen.“
„Aber … was soll ich denn anziehen?“
„Wir haben bereits festgestellt, daß Ihnen die Sachen meiner Schwester sehr gut passen, und davon gibt es zufällig eine ganze Menge hier.“
„Aber was wird sie sagen, wenn sie erfährt, daß ich mir die Sachen ausgeliehen habe?“
„Sie wird entzückt sein, daß sie mir helfen konnte“, erwiderte der Graf, „und da sie sich für mindestens ein Jahr in Madras in Indien aufhält, wo es bekanntlich sehr heiß ist, wird sie ihre hiesige Garderobe nach ihrer Rückkehr ganz sicher für völlig unmodern und untragbar halten.“
Der spöttische Ton, den er dabei anschlug, reizte Minella zum Lachen, besonders als er hinzufügte: „Und dann wird sie in der entsetzlichen Lage sein, nichts anzuziehen zu haben.“
„In meinem Fall ist es aber die reine Wahrheit!“
„Oben finden Sie ganz bestimmt eine komplette Ausstattung.“
„Das klingt alles sehr verlockend“, gestand Minella, „aber gleichzeitig auch beängstigend. Wenn ich Sie nun blamiere?“
„Das halte ich für höchst unwahrscheinlich“, sagte der Graf.
„Vielleicht wären Connie … oder Gertie besser dafür geeignet als ich.“
Er sah sie an, als hielte er diesen Vorschlag für einen Witz, dann belehrte er sie in väterlichem Ton: „Die Connies dieser Welt sind mit Ihnen nicht zu vergleichen, Minella, und sie würden die Feuertaufe als Gräfin
Weitere Kostenlose Bücher