Geliebte Suenderin
nichts finden, weil sie gar nicht da waren. Sie hatten die nähere Umgebung verlassen, und keiner wußte, wohin sie gegangen waren. Wie sollte er sie finden? Und selbst wenn er sie finden würde, dann konnte er praktisch nichts ausrichten, würde höchstens noch selber gefangen werden. Dieses Haus war wie eine Festung, und der Herzog war nicht so leicht zu überrumpeln. Nein, wenn sie fliehen wollten, dann mußte sie das in die Wege leiten. Aber wie?
Sabrina rieb sich nachdenklich den Nacken, und die Bewegung brachte die Erinnerung an eine andere Hand. Ein listiges Grinsen stahl sich in ihr Gesicht, als sie sich weiter erinnerte.
Der Herzog war sich ihrer als Frau sehr wohl bewußt gewesen. Das wußte sie instinktiv. Da war etwas an der Art, wie seine Hand ihre Taille umfangen hatte, als er sie an sich gezogen und gedroht hatte, sie zu erwürgen. Es hatte nicht zu seiner übrigen brutalen Handlungsweise gepaßt. Er hatte versucht, ihr angst zu machen, und trotzdem konnte er die unbewußte Zärtlichkeit der Hand an ihrer Taille nicht kontrollieren.
Und seine Augen hatten ihn verraten. Sie waren sanft gewesen, nur einen Augenblick lang, und mitleidig, und das war doch der sichere Beweis dafür, daß er nicht nur Wut empfand. Sabrina hatte die Augen anderer Männer gesehen, wie sie reagierten, wenn sie ihr Gesicht und ihren Körper musterten, aber sie hatte das immer verachtet und noch nie einem Mann Hoffnungen gemacht - aber jetzt - jetzt würde sie das Spiel spielen.
Sabrina richtete sich entschlossen auf. Sie würde diesen arroganten Herzog becircen. Sie würde ihn auf die Knie zwingen und, wenn er dann gefügig war, getäuscht von ihren honigsüßen Worten, würde sie ihm entrinnen. Sie würde Will befreien können und gemeinsam mit ihm diesem Gefängnis entkommen, und der liebeskranke Herzog stünde wie ein Narr da.
Sabrina stieg aus dem Bett, und das Zimmer drehte sich kurz, als sie mit wackligen Beinen zu der Porzellanschüssel, die auf dem Nachttisch stand, ging. Sie rollte die Ärmel des herzoglichen Hemdes hoch, goß eisiges Wasser aus dem Krug in die Schüssel und spritzte es sich ins Gesicht. Sie trocknete es mit einem großen Taschentuch ab und kämmte sich dann das Haar und arrangierte es in langen Locken um ihr Gesicht. Es war stumpf und leblos vom Fieber. Sabrina musterte mit gerunzelter Stirn ihr Spiegelbild. Sie würde ein Bad verlangen, sich die Haare waschen und sich saubere Wäsche geben lassen. Sie versuchte vorsichtig, ihre Schulter zu bewegen. Sie war steif und tat bei jeder Anstrengung weh, aber sie heilte. Zumindest hatte er sie sorgfältig gepflegt, während sie krank war, aber jetzt, wo es ihr besser ging, hatte er die Samthandschuhe schleunigst wieder abgestreift.
Der Gedanke an das, was sie vorhatte, verunsicherte sie doch ein bißchen. Sie sah den bösen Kratzer auf ihrem Handrücken und konnte sich nur noch vage daran erinnern, wie sie ihn bekommen hatte. Ihre Pläne schienen ihr angesichts der realen Gefahr doch nicht so gut. Dieser Kratzer könnte eine geringfü-
gige Wunde sein im Vergleich zu dem, was ihr bei der Ausführung dieses Plans passieren könnte. Aber was sollte sie sonst tun?
Sie mußte fliehen und Will retten, und sie mußten außer Reichweite des Herzogs sein, ehe er ihre wahre Identität entdeckte - die mußte um jeden Preis ein Geheimnis bleiben. Außerdem konnte sie das Spiel beenden, bevor es zu gefährlich wurde. Sie würde die Verführerin spielen, den Herzog überrumpeln und ihn, wenn er es am wenigsten erwartete, angreifen und das Spiel beenden.
Der Herzog strich herausfordernd mit seiner Schwertspitze über die Backe des Riesen. »Sei ein braver Junge, und erzähl mir von deinen Eskapaden. Ich bin viel netter als meine Diener, von denen der eine oder andere ein wehes Kinn hat und böse Rache-gedanken gegen dich hegt, mein großer Freund«, sagte der Herzog freundlich.
Will erwiderte grimmig seinen Blick. Sein eines Auge war blau geschlagen, der Mund geschwollen, aber er schwieg.
Der Herzog zuckte die Achseln. »Nun, irgendwann wirst du reden. Ich versuche nur, es dir leichter zu machen.« Er hielt nachdenklich inne, dann fügte er bedrohlich hinzu: »Und für deine kleine Freundin wird es auch nicht leicht sein. Schade, nicht wahr, sie ist doch recht hübsch, findest du nicht?«
Will kämpfte vergeblich gegen die Fesseln, die ihn an den Stuhl banden. »Wenn Ihr sie anrührt, schneid’ ich Euch in tausend Stücke«, fauchte er zornig.
»Schau
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