Geliebte zweier Welten: Roman (German Edition)
einem Ort namens Dudley, irgendwo bei Birmingham. Das wusste sie. Sie hatte die Schilder auf der Autobahn gelesen, als man sie mit dem Auto hergebracht hatte. Halb nackt.
Was für Schweine.
Sie blickte auf ihre Füße. Sie trug Schuhe, Jeans und ein Träger-T-Shirt. Sie glaubten doch wohl nicht, es reichte aus, ihr Kleidung zu geben und sie um Verzeihung zu bitten, und schon würde sie alles vergessen?
Sie rutschte aus und wäre fast hingefallen. Sie hielt sich auf einer ziemlich weitläufigen Wiese auf. Am Horizont zeichnete sich ein Industriegebiet ab. Die Schornsteine der Fabriken stießen dicken schwarzen Rauch aus.
Eileen fand, dass die Verschmutzung dort viel zu groß war. Glücklicherweise schien die Sonne, doch sie war sich dessen bewusst, dass England in dem Ruf stand, ein Ort der Wolken und des Regens zu sein.
Wenn die Fabriken solch dichten Rauch absonderten, dann halfen sie gewiss dabei, eine dunkle Schicht über dieser Zone zu bilden, zumindest über Dudley.
Sie kannte sich nicht aus. Nur in London, weil sie einmal eine siebentägige Reise mit dem Institut dorthin gemacht hatte. Aber sie hatten keinen der umliegenden Orte besucht. Wenigstens sprach sie perfekt Englisch und würde keine Probleme haben, sich zu verständigen. Ein schwacher Trost … Nach allem, was ihr widerfahren war … Sie verspürte Lust zu lachen.
Sie sah zum Himmel. Okay, es war kein hässlicher Ort. Man musste wahrscheinlich nur seine schönen Seiten kennenlernen, dachte sie.
Sie summte Lieder, um sich von ihrer Anspannung abzulenken. Man hatte sie entführt, ihren Vater vor ihren Augen ermordet. Man hatte ihr die Kleidung vom Leib gerissen, sie geschlagen, sie respektlos behandelt und beleidigt und sie obendrein noch mit einem Gürtel an ein Bett gefesselt, als wäre sie eine Pornodarstellerin, die Sadomasochismus mochte. Sie hörte auf zu summen.
Caleb war über sie hergefallen und hatte ihr die Jungfräulichkeit geraubt.
Denn sie hatte nicht eingewilligt. Er war brutal gewesen, zu Beginn ein richtiggehendes Tier, aber später … Später hatte sich etwas verändert, im selben Moment, in dem ihm klar geworden war, dass sie tatsächlich noch Jungfrau war.
Dann hatte er sie gestreichelt, um sie zu erregen, damit sie Gefallen daran fand, außerdem hatte er sich von da an sanfter bewegt. Tief, aber sanft. Und sie hatte ebenfalls Gefallen daran gefunden, zweifelsohne. Zweimal, ohne das im Auto mitzuzählen, bis sie Calebs Mund an ihrem Hals gespürt hatte. Sie wusste, dass sie sich verletzt und beschämt fühlen müsste. Und ein großer Teil von ihr fühlte auch so. Dennoch hatte die Intimität mit dem Vanir Spuren hinterlassen.
Abrupt hielt sie inne und öffnete die Augen. Sie legte ihre linke Hand auf die Stelle an ihrem Hals, an der er gesaugt hatte. Er hatte sie gebissen. Dieser Schuft. Er hatte seine Eckzähne in sie hineingebohrt, sie abgeleckt und an ihr gesaugt, als wäre sie der Ausweg für seinen Durst.
Bei der Erinnerung daran fingen ihr Hals und ein Bereich, der sich sehr viel weiter unten befand, zu pulsieren an und die Härchen an ihren Armen stellten sich auf.
Hatte ihr das etwa gefallen? Nein, Eileen … Wie konnte sie das auch nur denken? Sie war über sich selbst verärgert.
Als er sie gebissen hatte, hatte sie weiße Sternchen gesehen, die ihre Sicht vernebelten. Sie spürte, dass sie schwebte, dass sie über dem Bett schwebte, Calebs Arme wie glühende eiserne Festungen um ihre Taille geschlungen, während seine Hände sich fest um ihr Gesäß schlossen.
Sie war weiterhin ziellos unterwegs und spürte, wie sehr sie jeder Schritt schmerzte. Teile ihres Körpers brannten, intime Bereiche.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon lief, war sich aber sicher, dass es mehr als drei Stunden sein mussten.
Mit wem könnte sie über das sprechen, was passiert war? Sie hatte kein Geld, noch nicht einmal ein Pfund, um ein R-Gespräch mit Barcelona zu führen. Ginge sie zur Polizei, würde man sich dort über sie lustig machen. Wer würde ihr glauben? Wer um Himmels willen glaubte schon an Vampire?
Eines stand fest: Sie hatten ihren Vater umgebracht. Ihr Vater war tot. Warum vergoss sie nicht eine lausige Träne für ihn?
Es gibt nichts, worüber ich weinen könnte , gab sie sich selbst die Antwort. Keine Erinnerung, keine zärtliche Geste, kein liebevolles Wort. Nichts. Es war sehr merkwürdig, seinen Vater sterben zu sehen und sich nur leer zu fühlen. Keine liebenswürdigen Erinnerungen oder Worte,
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