Geliebter, betrogener Mann
und hielt ihre unruhigen, zuckenden Hände fest. »Sie dürfen keine Anklagen sehen, wo es keine gibt. Tutti hat schon einmal Ihr Leben völlig verändert. Acht Jahre lang lebten Sie in der Angst vor einem neuen Kind. Diese Angst haben wir Ihnen genommen. Soll nun an Tutti das werdende, gesunde Leben auch noch zerbrechen? Wie man auch denken mag – das kann nicht Gottes Wille sein. Das müssen Sie einsehen lernen. Und Sie werden es einsehen.« Dr. Wehrmann zog Gerda an den Händen aus dem Liegestuhl hoch. »Los! Aufstehen! Wir gehen jetzt spazieren.«
»Doktor!«
»Keine Widerrede. Heben Sie den Kopf hoch, sehen Sie über die Wiesen und Wälder, blicken Sie in die Sonne … Himmel noch mal, wie schön ist das Leben. Bitte!« Er reichte Gerda seinen Arm, und sie legte ihre Hand hinein, eine kalte, weiße Hand, als sei sie abgefroren.
So gingen sie über die leicht ansteigende Wiese dem Wald entgegen, der den Berg hinanstieg und mit dem Himmel zusammenstieß. Sie gingen langsam, Schritt um Schritt, so vorsichtig, als müsse Gerda das Laufen wieder lernen, und sie sprachen miteinander, man hörte nicht die Worte, sondern nur den Ton ihrer Stimmen, und plötzlich lachte sie. Es war ein helles, klingendes Lachen, begleitet von einem Zurückwerfen des Kopfes, bei dem das goldene Haar aufleuchtete.
Dr. Carstens, der in einer Nische der Terrasse stand, zündete sich etwas nervös eine Zigarette an.
»Gott sei Dank«, sagte er leise und wie befreit. »Gott sei Dank!«
In diesen Tagen erlebte Dr. Corbeck als Generalbevollmächtigter des Pohland-Konzerns eine kleine verwandtschaftliche Überschwemmung. Sie kam unangemeldet wie alle Unwetter und überspülte die Barrieren von Vorzimmer und Sekretariat.
Drei Vettern mit ihren Frauen und ein schwergewichtiger Onkel, Besitzer einer Brauerei in Bayern, erstürmten das Zimmer Dr. Corbecks. Sie brachten, um die Lage gleich zu klären und beim richtigen Namen zu nennen, zwei Rechtsanwälte mit, die diesen Weg nur unternahmen, weil sie einen anständigen Vorschuß erhalten hatten.
Dr. Corbeck begrüßte die Pohland-Verwandtschaft kühl, aber höflich. Er bot Platz an, ließ Whisky für die Herren und Sherry für die Damen kommen, ordnete an, bis auf andere Weisungen nicht gestört zu werden und stellte sich an die holzgetäfelte Wand.
»Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme«, sagte er kalt, »daß Sie gekommen sind, um über den Nachlaß Herrn Michael Pohlands mit mir zu sprechen. Ich kann Ihnen lange Erörterungen sparen: Das Testament ist klar und setzt als Alleinerben Frau Gerda Pohland ein.«
Philipp Pohland, der Brauereibesitzer, schnaufte heftig durch die Nase. Er hatte sich ausbedungen, zum Sprecher der Familie zu werden. Mit bajuwarischer Zähigkeit wollte er den Riegel aufsprengen.
»Dieses Testament!« Seine dicke Hand wischte durch die Luft. »Sagen Sie doch selbst, Doktor: Da stimmt doch was nicht.«
»Wieso bitte? Wollen Sie mir das erklären?« Dr. Corbeck fühlte einen körperlichen Widerwillen gegen Philipp Pohland in sich aufsteigen. Der dicke Brauereibesitzer lächelte mokant.
»Zunächst: Ich habe ein Versprechen meines seligen Bruders Franz, des Vaters vom armen Michael, daß seine Geschäftsanteile an meiner Brauerei an mich zurückfallen, wenn er das Zeitliche segnet.«
»Und wieviel ist das?«
»Zweihunderttausend Mark.«
»Das haben Sie sicherlich schriftlich?«
»Nein.« Philipp Pohland tat sehr verwundert und beleidigt. »Ein Wort unter Brüdern ist wie ein Vertrag. Oder nicht?«
»Für den Juristen nicht. Ich kann diese Abmachung ohne schriftliche Bestätigung nicht mehr nachprüfen. Überhaupt ist Herr Franz Pohland schon vor siebzehn Jahren gestorben, und es ist merkwürdig, daß Sie erst jetzt Ihre Forderung anmelden und nicht schon damals bei dem Tode Ihres Bruders.«
»Damals brauchte Michael das Geld. Ich habe es großzügig so belassen, wie es war. Die prozentuale Gewinnbeteiligung an meiner Brauerei finanzierte immerhin seinen persönlichen Lebensunterhalt. Ich kann die genauen Zahlen vorlegen. Dr. Bender, mein Rechtsanwalt«, – Philipp Pohland zeigte nach links auf einen Herren – »hat alle Bilanzen und Anweisungen bei sich.«
»Was soll ich damit?« Dr. Corbeck sah kühl auf seinen Kollegen Dr. Bender. »Ohne einen Vertrag über diesen Punkt ist er indiskutabel.«
»Sie behaupten also, ich lüge?« Philipp Pohland sprang ächzend auf. »Mein Herr, das ist eine Unverschämtheit! Mein Bruder Franz hat immer gesagt
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