Geliebter, betrogener Mann
Frau.«
»Er hätte mich nie geheiratet.«
»Welch ein Widerspruch, mein Kind.« Dr. Wehrmann wanderte in dem Zimmer herum. »Er hätte Sie nie geheiratet. Aber Sie wollten, daß er Sie heiratet. Nun sind Sie verheiratet und Sie sind doch nicht seine Frau, im biologischen Sinne.« Er blieb stehen. »Sehen Sie wenigstens ein, daß das alles ein heilloser Quatsch ist?«
»Ja. Aber ich liebe ihn doch! Ich wußte es schon bei der ersten Begegnung in Lugano. Darum bin ich auch weggelaufen, es war eine Flucht vor mir selber. Ich wollte mich nicht wieder verlieben und nicht vor der Entscheidung stehen, vor der ich heute stehe. Dann, auf Capri, gab es kein Entweichen mehr. Ich mußte bei ihm bleiben, und ich zitterte vor der ersten Nacht. Ich habe diese ganze Tragödie kommen sehen.«
»Eine Tragödie wird künstlich daraus gemacht. Wollen Sie nicht sagen, was der Grund Ihrer Angst ist?«
Gerda Pohland starrte hinaus in den Park. Auf einer Wiese zwischen Herrenhaus und Verwalterhaus hängte Anna Petermann Wäsche auf. Wenn sie sich reckte, um die Klammern auf die Leine zu stecken, hob sich ihr Rock bis zu den Schenkeln. Ein Paar kräftige, gesunde Beine trugen den gesunden Körper, in dem ein Baby wachsen durfte. Um sie herum tobten drei ihrer Jungen. Sie spielten Indianer und heulten. Sie waren auf dem Kriegspfad.
Gerda Pohland ließ die Gardine zurückfallen. Ihr Gesicht war fahl und merkwürdig verzerrt.
»Man kann es nicht sagen, Doktor«, sagte sie stockend. »Man muß es sehen.«
»Sehen?« Dr. Wehrmann hob verblüfft den Kopf.
»Wir müssen dazu eine Reise machen.«
»In die Vergangenheit?«
»Nein, in Gegenwart – und Zukunft.« Sie wandte sich ab, um ihr nacktes Gesicht nicht zu zeigen. »Haben Sie Zeit dazu, Doktor?«
»Für ein solches Problem immer. Wann fahren wir?«
»In einer Stunde?«
Dr. Wehrmann sah sich überrumpelt. Er hatte für den Nachmittag Patienten bestellt, am Abend hatte er einen Vortrag vor der Medizinischen Akademie. Aber er wußte, daß alle weiteren Versuche, Klarheit in die Ehe der Pohlands zu bringen, scheitern würden, wenn er jetzt absagte.
»Gut. In einer Stunde. Ist sie weit, diese Reise?«
»Nach Süddeutschland.«
»Dann wäre es zweckmäßig, wenn ich mir von zu Hause ein frisches Hemd und die Zahnbürste holte. Und wenn es nichts ausmacht, auch meinen Schlafanzug.«
»Wir fahren bei Ihnen vorbei, Doktor.« Gerda Pohland sah auf ihre bebenden Hände. »Was werden Sie Micha sagen?«
»Daß es das Recht der Idioten ist, zu warten.«
»Sie dürfen nicht so mit ihm reden. Er tut mir so leid. Ich hätte vielleicht nie, nie heiraten dürfen.«
Es war wieder ein Aufschrei. Dr. Wehrmann verzichtete auf eine Entgegnung. Jetzt war es gut, sie in einer gewissen Verzweiflung zu lassen. Eine Wand war eingerissen worden, aber noch sah man nicht, was sich hinter den Trümmern verbarg.
»In einer Stunde also«, sagte Dr. Wehrmann. Er verließ das Zimmer, hörte, wie Gerda hinter ihm wieder abschloß, und ging sehr nachdenklich zur großen Zentralhalle zurück. Michael Pohland stürzte auf ihn zu.
»Ich habe auf Sie gewartet, Doktor. Oder glaubten Sie, ich ließe Sie so einfach gehen? Es hat ja wahnsinnig lange gedauert.«
»Wir hatten uns auch wahnsinnig viel zu erzählen.«
»Und was sagte sie?«
»Nichts.«
Pohland sah den Arzt an, als löse sich dieser in Nebel auf. Nervös suchte er in seinen Taschen nach einer Zigarette.
»Ich bitte Sie um eins, Doktor: Lassen Sie jetzt Ihre makabren Witze. Sagen Sie mir: Kann ich zu ihr?«
»Jetzt im Moment?«
»Ja.«
»Nein.«
»Und später?«
»Ist sie nicht mehr da.«
»Nicht mehr da?« Pohland packte Dr. Wehrmann an der Schulter. Sein Griff war so hart, daß der Arzt das Gesicht verzog.
»Verdammt. Ihnen brauche ich keine Kräftigungsmittel mehr zu geben«, stöhnte er.
»Doktor. Auch meine Erziehung hat eine Grenze. Ob ich Michael Pohland bin und Herr eines Konzerns, das ist mir jetzt alles egal. Verstehen Sie? Egal. Und ich werde … ich weiß nicht, was ich werde, wenn Sie noch einmal sagen, Gerda verließe dieses Haus.«
»Das tut sie, mein Lieber. In einer Stunde.«
Pohland senkte den Kopf. Er griff sich an den Hals, als bekäme er einen Atemkrampf. »Und Sie … Sie haben nichts erreicht.«
»Doch. Ich hole mir meine Zahnbürste und meinen Schlafanzug.«
»Doktor. Ich vergesse mich. Ich werfe Sie vor die Tür.«
»Sie sind ein unhöflicher Mensch, Pohland.« Dr. Wehrmann zupfte sein Jackett gerade. »Sie
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