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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abfahrt nach Ebenhagen, wurde er krank. Er hustete jämmerlich, bog sich, als wenn der Husten ihm die Lunge zerrisse, und er hustete so lange, bis er zu würgen begann und sich übergab. Man steckte ihn ins Bett, er versäumte die Mathematikarbeit. Am Abend dieses Montags kam der Vater zurück nach Heidfeld, riß die Decke von Michaels Bett und sagte: »Was willst du werden – Erbe der Werke oder Schauspieler? Raus aus dem Bett! Du holst morgen die Arbeit nach, ich habe es mit Dr. Bader so besprochen.« Und er mußte am Dienstag als einziger in der Klasse, in einer isolierten Ecke, die Mathematikarbeit nachholen. Es wurde eine Fünf. Aber der Quartaner Pohland bekam nie wieder einen Husten vor einer Klassenarbeit …
    Theodora nahm den Zeichenblock, legte ihn auf die Erde und schrieb in großen Buchstaben quer über das schöne Bild ihre Zaubergartens: »Was hat er, Mama?«
    »Er ist sehr krank, Liebling.« Gerda setzte sich zu ihr auf die Erde. »Er hat schlechte Augen, die immer entzündet sind. Und immer muß er husten.«
    Tuttis Augen bekamen einen neuen Glanz. Sie starrte Pohland an, der ihr zulächelte, und sie schien zurückzulächeln, wenigstens verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Grimasse. Auf das Blatt schrieb sie:
    »Und kann ihn der Doktor nicht heilen?«
    »Nein«, sagte Gerda ohne Zögern.
    Tutti schien zufrieden. Sie riß das Blatt mit dem Blumengarten vom Block und begann eine neue Zeichnung. Sie zeichnete Pohland, wie er an der Wand stand, mit einer riesigen Brille statt der Augen, zwei schwarze Flecken in einem fast dreieckigen Gesicht. Dann machte sie sich von Gerda los, kroch auf Pohland zu, hielt das Bild hoch und begann, schaurig und fast heulend zu lachen. Durch Pohland glitt es eiskalt. Er stierte auf die zwei schwarzen Flecken und auf das völlig aus der Form geratene Gesicht Tuttis.
    »Sehr schön«, sagte Dr. Dornburg schnell, um die Schrecksekunde zu überbrücken. »Wunderbar, Tutti! Können Sie es erkennen, Herr Pohland?«
    In dieser Frage lag bereits die Antwort. Pohland schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Doktor. Nur ganz schwach …« Er hustete wieder, griff dann nach vorn, tastend, suchend, wie ins Dunkle fassend, ergriff dann das Blatt, zog es aus Tuttis krallenden Fingern und schob es ganz nahe an seine Augen.
    »Das bin ja ich …«, sagte er und rutschte mit der Nase über das Papier. »Aber habe ich so einen Kopf, Doktor? So einen schrecklichen Kopf?«
    In Tuttis herrliche blaue Augen sprang der Funke leuchtenden Glücks auf. Sie quiekte wieder, aber es war ein anderer Ton als vorher. Ihre Hände tasteten nach Pohland, krallten sich in seinem Jackett fest und zogen ihn zu sich heran. Pohland ließ sich auf die Knie nieder, ganz nah war er dem birnenförmigen, verzerrten Gesicht und diesen unwirklichen, schönen, lebenden Augen. Er bemühte sich, zu lächeln, er drängte alle Abscheu zurück, allen Widerstand vor diesem Wesen, das ein Mensch sein sollte … und dann erlebte er, wie die deformierten Hände über sein Gesicht fuhren, weich wie Katzenpfoten, zärtlich und unendlich vorsichtig, wie sie ihn streichelten, wie sie auf seinen Augen liegenblieben und ihm die Sonne wegnahmen. Dann wurde es wieder hell, und er hörte über sich die fast tonlose Stimme Dr. Dornburgs sagen:
    »Ich komme in einer Stunde wieder. Spielt schön miteinander.«
    Pohland war allein mit Tutti. Auch Gerda war gegangen. Nur ihre Handtasche stand einsam auf der dicken Wolldecke im Zimmer. Tutti kroch auf sie zu und ließ den Verschluß aufschnappen. Sie nahm als erstes das Parfümfläschchen heraus, roch daran, schraubte den Verschluß auf und schüttete sich ein paar Tropfen auf die Handfläche. Dann überlegte sie, erinnerte sich, wie es Mama gemacht hatte, und strich sich das Parfüm hinter und über die abstehenden Ohren. Dabei lachte sie, und es war in diesem Augenblick ein wirkliches Lachen, ein kindlicher Freudenausbruch aus tiefster Seele.
    Michael Pohland wurde ebenfalls mit Parfüm bespritzt. Er hielt still, während Tutti um ihn herumkroch und ihn von allen Seiten beträufelte.
    »Schön«, sagte er nur immer wieder. »Schön … schön … wie das riecht!«
    Dann nahm er den Zeichenblock, beugte sich weit über ihn und zeichnete einen Berg, ein Dorf, zugeschüttet vom Schnee, eine Straße, die ins Unendliche führte. Pohland konnte gut zeichnen, eine Zeitlang hatte er als Hobby gemalt, in Tempera und in Öl, es war eine Zuflucht gewesen, wenn seine erste Frau wieder einen ihrer

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