Geliebter, betrogener Mann
alles?«
»Was Tutti betrifft, ja.«
»Ich rede von den Anti-Baby-Pillen!«
»Nein.«
»Und Sie wollen es ihm auch nicht sagen?«
»Nein. Er würde verlangen, daß ich sie nicht mehr nehme. Er will ein Kind … aber ich habe Angst. Niemand wird mir jemals diese Angst nehmen können.«
»Aber wie soll das denn weitergehen? Ein paar Monate lang können Sie das durchhalten – aber dann? Er wird sich wundern, er wird Fragen stellen, er wird Experten aufbieten, um dieses Versagen erklären zu lassen. Ich kenne Michael Pohland. Und auch Sie werden ihn verstehen. Schließlich brauchen die Pohland-Werke einen Erben, und Pohland ist nicht mehr ein flotter Zwanziger, sondern vierzig Jahre alt.«
»Ich weiß das alles, Doktor. Ich weiß es.« Gerda Pohlands Stimme klang gequält. »Aber bitte, lassen Sie mir diese paar Monate Glück. Bitte schweigen Sie. Wie es dann weitergehen soll, ich weiß es noch nicht. Ich will auch nicht daran denken. Ich will nur diese Monate Glück.«
Auch Dr. Wehrmann legte seufzend den Hörer zurück und kratzte sich den Kopf. Das Leben könnte so einfach sein, dachte er, wenn der Mensch nicht alles so wahnsinnig komplizieren würde.
Die Tage gingen dahin im Gleichmaß des schwingenden Perpendikels. Michael und Gerda Pohland waren doch noch aus Oberhol zen zurückgekehrt, hatten den traditionellen Neujahrsempfang in der größten Werkhalle mitgemacht – Dr. Wehrmann hatte zu die sem Auftritt das gesunde linke Bein Pohlands in Gips gelegt, um den angeblichen Unfall glaubhaft zu machen –, sie hatten Krankenbesuche empfangen, bei denen Pohland seinen Unfall in plastischer Darstellung schilderte und das Mitleid (aber auch die Schadenfreu de) säckeweise einkassierte, und dann ging das Leben weiter, die geölte Maschine des Alltags schnurrte ab wie eh und je.
Ende Januar kam Anna Petermann aus dem Krankenhaus zurück. Ihr Mann Gotthelf holte sie selbst ab. Sie konnte noch nicht richtig wieder laufen, sie war noch schwach, aber sie wollte zurück nach Heidfeld, zu den Kindern. Sie sehnte sich nach dem Geruch von Heu, Rüben und Milch, vor allem aber zurück zu Gotthelf, der – wie sie dem Chefarzt klagte – trotz der Pflege ihrer Cousine verwilderte.
Glücklich lag sie dann auf dem Sofa in der Wohnstube, ihre fünf Kinder um sich, das sechste neben sich in einem geflochtenen Korbwagen, und übernahm wieder das Kommando im Haus.
Drei Tage nach ihrer Rückkehr kam Dr. Wehrmann zu Besuch. Er fand Anna Petermann in den Kissen sitzend, den Säugling vor sich und ihm eine Flasche gebend. Um den Tisch herum hockten die anderen fünf Kinder und sahen zu, wie die Kleine schmatzte. Gotthelf Petermann hatte Dr. Wehrmann schon an der Haustür abgefangen.
»Eine Frage, Herr Doktor«, hatte er gesagt. »Anna hat doch eine Masse neues Blut bekommen, nicht?«
»Ja.« Dr. Wehrmann sah Petermann kritisch an. »Wieso?«
»Woher kommt das Blut?«
»Stimmt etwas nicht?« Dr. Wehrmann bekam einen Schreck. So etwas ist heutzutage unmöglich, dachte er. Jedes Blut unterliegt einer strengen Untersuchung.
»Ich weiß nicht, Herr Doktor.« Petermann kratzte sich den Kopf. »Wer gibt das Blut?«
»Die Blutspender stehen in einer Liste, aber wen interessiert das?«
»Ist das Blut, das Anna bekommen hat, von Frauen oder von Männern?«
»Eine dusselige Frage. Das ist doch Wurscht. Hauptsache, Blutgruppe und Rhesusfaktor stimmen.«
»Das sagen Sie?« Petermann kratzte sich wieder den Schädel. »Seit der Blutübertragung ist Anna wie verwandelt. Das kann nur vom Blut kommen.«
»Wieso ist sie verwandelt?«
»Sie kommandiert herum, sie jagt mich von einer Ecke in die andere, ich muß laufen, daß ich japse. Ich wette, Herr Doktor, der haben sie Blut von einem ehemaligen Feldwebel gegeben.«
Dr. Wehrmann wollte noch etwas sagen, aber dann tippte er Petermann bloß stumm an die Stirn und ging ins Haus.
»Na, wie geht's denn?« fragte Dr. Wehrmann und setzte sich neben Anna auf das Sofa. »Kommen Sie jetzt nicht mit der dämlichen Antwort: Beim letztenmal ging's noch. Ich verhaue Ihnen dann den Hintern, denn so weit sind Sie noch lange nicht.«
»Aber Herr Doktor«, sagte Anna verschämt und wurde rot. Auch das konnte sie wieder, ein Zeichen der wirklichen Besserung. »Die Kinder …«
»Die verstehen das nicht. Trinkt übrigens gut, die Kleine.«
»Es ist das erste, dem ich nicht die Brust geben kann.«
»Sehen Sie, das verstehen die Kinder.« Dr. Wehrmann lachte, als sich Anna mit gespielter
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