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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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umkreist. »Sie kennen Jutta Westhues?«
    »Natürlich.« Dr. Wehrmann sah den Pfarrer verblüfft an. »Hübsches Mädchen, zwanzig Jahre alt, verlobt mit einem Studenten der Medizin.«
    »Und mehr wissen Sie nicht?«
    »Nein.«
    »Aber ich!« Baders Stimme schwoll an. »Sie liegt zu Hause im Bett. Nicht mit einer Grippe. Nein, eine Abtreibung hat sie hinter sich. Der junge Halbmediziner hat's gemacht, und irgend etwas muß schiefgegangen sein. Man hat schon bei Ihnen angerufen, aber Sie waren nicht zu Hause. Da hat man mich angerufen.«
    »Und was haben Sie getan?« fragte Dr. Wehrmann leise.
    »Ich habe dem Balg meine Meinung gesagt.«
    »Und ist's davon besser geworden?«
    Dechant Bader blieb ruckartig stehen und starrte Dr. Wehrmann an. »Diese Frage ist typisch für Sie. Die kirchliche Lehre vom gottgewollten Leben …«
    »Moment!« Dr. Wehrmann hob die Hand und schüttelte sie. Verblüfft schwieg Dechant Bader. »Ehe Sie Ihre Predigt weiterführen, will ich Ihnen einige Zahlen nennen. Wissen Sie, daß allein in Westdeutschland jährlich eineinhalb Millionen Frauen und Mädchen abtreiben? Nach Schätzungen werden in den europäischen Großstädten drei von vier Kindern nicht geboren, sondern im Mutterleib getötet!«
    »Da sehen Sie es!« schrie Dechant Bader. »Dieser Verfall der Moral! Dieser sittliche Niedergang!« Er drehte sich um, als Dr. Wehrmann schwieg. »Oder wollen Sie etwa mit diesen schrecklichen Zahlen diese Taten verteidigen?«
    »Verteidigen? Nein. Aber sie sollten nachdenklich machen. In jeder Frau ist das stärkste Gefühl neben der Liebe das Muttergefühl. Wieviel Angst, wieviel Verzweiflung, wieviel seelische Qual häuft sich da auf, bis man es wagt, Hand an sich selbst zu legen oder legen zu lassen, um nicht ein ganzes Leben lang für manchmal nur eine Minute Vergessen und Glück belastet zu sein.«
    »Kinder sind ein Segen, keine Last!« schrie Dechant Bader.
    »So etwas sagt man aus der Sicherheit heraus, selbst nie ein Kind zu haben.«
    »Doktor, ich werfe Sie hinaus«, sagte Bader gepreßt.
    »Tun Sie es. Sie werfen damit aber nicht die Tatsachen über Bord, daß wir – vor allem in den sogenannten ›Entwicklungsländern‹ – vor einer Bevölkerungsexplosion stehen. Wenn sie anhält, wird es auf der Erde bald sechs Milliarden Menschen oder mehr geben. Der Großteil davon wird hungern und verhungern. Ist das der Wille Gottes? Ist das der Segen? Die Saurier starben aus, weil sie zu groß wurden und keine Nahrung mehr fanden. Soll der Mensch eines Tages zugrunde gehen, weil er zu fruchtbar ist?«
    »Was haben die Saurier mit Jutta Westhues zu tun?«
    »Viel. Die Übervölkerung …«
    »Reden Sie doch keinen Quatsch, Doktor!« Dechant Bader klopfte mit der Faust auf die dicke Eichenplatte des Schreibtisches. »Vergessen hat sich das Mädchen, weiter nichts. Und dann geht sie hin … und …«
    »Ich könnte Ihnen medizinisch zu diesem ›Vergessen‹ allerlei sagen.«
    »Ich will keine Medizin, ich bestehe auf der Moral. Das sittliche Weltbild wird gestört, wenn diese Art der Freiheit um sich greift.«
    »Sie tut es, lieber Dechant, sie tut es. Früher, zur Zeit unserer Eltern, war es normal, daß eine Familie aus zehn oder vierzehn Kindern bestand, und man sah scheel auf jene herab, die nur drei Kinder hatten. Heute ist die Ein-Kind-Ehe modern, ja vielfach lebensnotwendig – Glauben Sie, daß unsere Eltern liebesaktiver waren als die heutigen Paare? Nein, heute ist man vernünftiger. Heute ist die Frau ein Teil unseres sozialen Aufstiegs, ein Mitbegründer unseres Weltbildes, eine nicht mehr wegzudenkende schöpferische Kraft. Es ist nicht mehr wie bei unseren Vorfahren, wo Frauen die beklagenswerten Wesen waren, deren Aufgabe es war, von einem Wochenbett ins andere zu ziehen. Ich könnte Ihnen soziale Zusammenbrüche aufzählen, die mit dem ›Kindersegen‹ begannen. Tragödien, die nicht nötig gewesen wären, wenn das Kind später oder gar nicht gekommen wäre.«
    Dechant Bader trat an das breite Fenster und sah hinaus auf den großen Innenhof. Sein dicker Kopf saß fast halslos auf den breiten Schultern.
    »Gott hat die Fruchtbarkeit gegeben. Es ist nicht Aufgabe des Menschen, diese Gottesgabe zu zerstören.«
    »Ernährt Gott auch die Kinder?« fragte Dr. Wehrmann rauh. Bader wirbelte herum.
    »Das ist wieder ketzerisch gedacht!«
    »Nein, nur sozial. Unser Beispiel Jutta Westhues. Sie ist die Tochter eines Bauern, er Medizinstudent. Sie heiraten. Er wird Assistenzarzt, denn

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