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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufballerte und die hohen Räder über den verschneiten Hof knirschten. Die fünf Kinder kamen herein und scharten sich um Sofa und Tisch.
    »Was hat der Papa?« fragte der Älteste. »Er sieht so wütend aus.«
    »Ach was, das bildet ihr euch bloß ein.« Anna legte den Finger auf die Lippen. Der Säugling schlief.
    »Wo fährt er denn hin, Mama?«
    »Ins Dorf. Für die Kirche eine große Kerze holen.«
    »Der Herr Dechant hat mir ein Heiligenbild geschenkt, Mama.«
    »Das ist schön, mein Junge.«
    Anna Petermann lag flach auf dem Rücken und starrte an die alte, krumme, buckelige Zimmerdecke mit den geweißten Balken.
    Ich werde es tun, dachte sie. Ich werde die Pillen nehmen. Ich werde den Dechant belügen. Und Gott wird mir verzeihen … er muß mir verzeihen … ich tue es ja aus Liebe.
    Bei dem Bauern Westhues war die Situation eine andere. Jutta lag im Bett, bleich, vom Blutverlust geschwächt, ein kleines, kummer zerfurchtes Gesicht in einem Kissenberg. An ihrem Bett saß ihre Mutter, nebenan in der guten Stube mit den geschnitzten alten Möbeln hockten der Bauer und ein junger Mann, dem die linke Gesichtshälfte rot angeschwollen war. Dr. Wehrmann, der ohne an zuklopfen eintrat, blieb an der Tür stehen und stellte seine dicke Arzttasche auf den gescheuerten Dielenboden.
    »Was ist hier los?« brüllte er. »Warum hat man mir nicht früher gesagt, daß …«
    Bauer Westhues, ein kleiner Mann mit dicken Muskelarmen, hieb mit den Fäusten auf die Knie.
    »Ich hab's selbst nicht gewußt. Erst als die Jutta nebenan liegt und wimmert, kam's raus. Und der hier«, er zeigte auf den jungen Mann, der mit gesenktem Kopf wegblickte, »umbringen könnt ich den!«
    »Sie also sind der zukünftige Kollege.« Dr. Wehrmann kam näher. »Ich muß sagen, daß Sie sich gleich von der bedenklichsten Seite einführen. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?«
    »Nichts.«
    »Das trifft genau. Nichts. Was haben Sie denn gebraucht?«
    »Eine Kürette.«
    »Mindestens das ist fachlich richtig. Und da haben Sie nicht aufgepaßt.«
    »Es kam zu starken Blutungen und … und …« Der Medizinstudent sah wieder weg. Westhues ballte die Fäuste.
    »Erschlagen sollte man ihn!« brüllte er.
    »Das ändert nun auch nichts mehr.« Dr. Wehrmann sah auf die geschwollene Gesichtshälfte des Jungen. »Was haben Sie denn in der Backe?«
    »Da habe ich ihm eine geknallt, dem Lausejungen!« schrie Bauer Westhues. »Das war mein gutes Recht!«
    »Und nun? Wo ist Jutta?«
    »Im Schlafzimmer. Erna ist bei ihr.«
    »Ich habe die Blutung mit Clauden zum Stillstand gebracht.« Der Medizinstudent sah Dr. Wehrmann wieder an, flehend, bittend, mit dem stummen Schrei: Helfen Sie mir jetzt. Wenn Sie unsere Verzweiflung kennen würden, wenn Sie wissen könnten, wie Jutta und ich mit uns gerungen haben, wie groß, wie erdrückend unsere Angst war …
    »Und jetzt soll ich die Kürettage zu Ende bringen, was?« Dr. Wehrmann verstand den flehenden Blick des Jungen, dieses Betteln um Gnade und Verständnis.
    »Ja.«
    »Und schweigen soll ich auch?«
    »Darüber müssen wir noch reden, Herr Doktor.« Bauer Westhues erhob sich schwer. »Übrigens, der Schinken, Herr Doktor, den Sie so bewundert haben, ist aus'n Rauch … Ich habe ihn zurückgelegt.«
    »Was seid ihr doch für eine Bande, ihr alle«, sagte Dr. Wehrmann. »Glaubt ihr, mit einem Hinterschinken könnt ihr den alten Wehrmann bestechen? Westhues, jetzt sollte ich Ihnen eine dicke Backe feuern.«
    »Tun Sie es, Herr Doktor. Irgendwie bin ich ja auch schuld, daß das mit Jutta passiert ist.«
    »Nun keine ›mea culpa‹, verdammt. Dafür ist der Dechant zuständig. Ich sehe erst mal nach der verhinderten Mutter.«
    Die Untersuchung verlief wie hundert andere, die Dr. Wehrmann in seiner vierzigjährigen Praxis gemacht hatte. Die Kürettage machte er sofort. Nach alter Bauernart legte er Jutta auf den Küchentisch, ließ sich heißes Wasser bringen, jagte alle hinaus und machte sich an die Arbeit.
    »Den Hintern sollte man dir blau hauen!« sagte er zu Jutta, bevor er ihr die Narkose gab.
    »Ich habe das nicht gewollt …«, stammelte sie und weinte leise.
    »Natürlich. Hinterher hat man's nie gewollt. Wollt ihr denn heiraten?«
    »Ja. Wenn Erich sein Staatsexamen hat. Und dann will er erst noch in eine Klinik, und dann …« Sie legte die Hände über ihr bleiches, zuckendes Gesicht. »Das Kind hätte alles anders werden lassen. Das ganze Leben wäre anders geworden, wegen ein paar Minuten

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