Geliebter Feind
gut, und als er ihren Mund zuletzt wieder freigab, fuhr er mit einer Fingerspitze an ihrer Nase hinab. „Und jetzt sprecht, Liebste. Verratet mir, was Ihr zum Geschenk haben möchtet - nicht etwas, das Ihr braucht, sondern etwas, das Ihr Euch wünscht."
Guys Zärtlichkeit war so entwaffnend, und vielleicht lag es an der seltsamen Stimmung, die sie umfing, daß ein großes Sehnen sie erfüllte. In diesem Augenblick jedenfalls wünschte sie sich nichts mehr, als daß er ihr wirklich zugetan war, und zwar nicht aus ehelichem Pflichtgefühl heraus, sondern von Herzen.
Vielleicht könnte er sie sogar lieben . . .
Rasch schlug sie sich das aus dem Kopf. Wie war sie nur zu diesem Gedankengang gekommen? Eines Tages mochte der Earl möglicherweise so etwas wie Zuneigung zu ihr zeigen, und wenn auch nur wegen ihres gemeinsamen Kindes, doch nie, niemals würde er sie lieben.
„Nun?" drängte er lächelnd.
Zögernd biß sie sich auf die Lippen. „Würdet Ihr mir alles schenken, was ich haben will?"
„Gewiß. Wenn es in meiner Macht steht, sollt Ihr es haben."
„Dann wünsche ich mir, daß Ihr Gerda ihre Freiheit gebt."
„Gerda? Kathryn, ist dies wirklich das Geschenk, das Ihr Euch erbittet?"
Sie strich ihm mit den Fingern über die Wange. „Es ist das einzige, das ich mir wünsche."
Er drückte einen Kuß auf ihre Fingerspitzen und nahm ihre Hand in seine, „Euer Wunsch ist bereits so gut wie erfüllt, Madam."
Ihr verstohlenes Lächeln verriet ihm, daß sie sehr zufrieden mit sich war. Es verblüffte Guy noch immer, daß sie sich nichts für sich selbst gewünscht hatte - ein neues Gewand oder Schmuck zum Beispiel. Seltsam, manchmal war er sich ganz sicher, daß er sie in-und auswendig kannte, und manchmal wieder dachte er, er würde sie überhaupt nicht kennen.
Kathryn schlief sehr schnell wieder ein. Guy behielt sie im Arm, obwohl ihr Haar ihn am Kinn kitzelte. Er lächelte still vor sich hin, als er an alle die stürmischen Streitereien dachte, die er mit ihr schon ausgefochten hatte. Nun lag sie so vertrauensvoll und weich in seinen Armen . . . es war wahrhaftig wie ein Wunder.
Seit ihrer Vermählung war sie allnächtlich mehr als willig zu ihm gekommen, und jedesmal war sein Körper überaus befriedigt gewesen. Dennoch fehlte etwas Wichtiges . . .
Er dachte an Elaine, sein Leben, seine Liebe. Seltsamerweise ertrug er die Erinnerung, ohne daß er wieder diesen Stich in der Seele fühlte wie früher. Dafür schämte er sich, denn er hatte gedacht, sein Herz wäre für alle Zeiten an seine erste Gemahlin verloren. Doch nun war eine schwarzhaarige Zauberin in sein Leben getreten.
Kathryn . . . Er flüsterte ihren Namen. Liebte er sie etwa? Mit Elaine zusammen war die Liebe etwas Sanftes, Zartes gewesen, so etwas wie Balsam für die wunde Seele. Bei Kathryn jedoch erlebte er die feurigste Leidenschaft. Selbst in diesem Augenblick brauchte er nur einen flüchtigen Blick auf ihre schlafende Gestalt zu werfen, und schon erwachte das drängende Verlangen in ihm.
Sie war stark, wild und trotzig. Ohne Schwert und Schild hatte sie gegen Richard gekämpft. Sie hatte für Ashbury gekämpft - und gegen ihn, Guy. Und jetzt schmiegte sie sich im Schlaf vertrauensvoll wie ein Kind an ihn. Eine beinahe schmerzhafte Zärtlichkeit erfüllte sein Herz.
Liebte er sie? Obwohl er ihr gegenüber so ganz andere Gefühle hegte als früher für seine über alles geliebte Elaine, brauchte Kathryn nur ein einziges Wort zu sagen, und er wäre mit Freuden bereit, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen. Man sagte von ihm, er sei ein großer Krieger, denn er hatte in seinem Leben schon viele Schlachten gewonnen; jetzt erkannte er, daß ihm das größte Gefecht noch bevorstand - das Gefecht mit seinem eigenen Herzen.
Am nächsten Nachmittag platzte Gerda in Kathryns Gemach.
„Lady Kathryn", rief sie. „Ihr werdet es nicht glauben - ich bin frei! Der Earl hält mich nicht mehr an den Treueeid meines Vaters gebunden!"
Kathryn legte ihre Näharbeit aus der Hand. „Soso. Und wie hat Sir Michael die Nachricht aufgenommen?"
Das Mädchen errötete. „Er ist erst heute morgen von einem Besuch bei seinem Vater zurückgekehrt, und. . . " Gerda klatschte in die Hände.
„Ach Lady Kathryn, es ist, als wäre ein Traum wahr geworden! Michael hat von seinem Vater einen kleinen Landsitz in Dorset zugesprochen bekommen. Michael meint, das Haus sei ziemlich heruntergekommen, und die Reparaturarbeiten würden Monate dauern, doch diesmal sei
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