Geliebter Feind
er nicht bereit, sich von mir noch einmal abweisen zu lassen. Wir werden heiraten, sobald der Landsitz wiederhergestellt ist - möglicherweise schon im Spätfrühling."
Kathryn mußte lachen, denn Gerdas Begeisterung war ein Schauspiel für sich. Ihre braunen Augen leuchteten so strahlend wie ein Sommermorgen. Im nächsten Moment indes neigte sie den Kopf zur Seite.
„Herrin, mir scheint beinahe, Ihr seid gar nicht so sehr überrascht."
„O selbstverständlich bin ich das", versetzte Kathryn fröhlich. „Von Sir Michael und seinem neuen Landsitz wußte ich schließlich nichts."
Gerda dämmerte es. „Seid Ihr . . . Habt Ihr das etwa veranlaßt?" fragte sie langsam.
„Es war Guys Idee." Kathryn lächelte. „Allerdings habe ich ihm einen kleinen Wink gegeben und ihm gesagt, was ich davon hielte."
„Mir die Freiheit zu gewähren. ." Gerda schüttelte den Kopf. „Das ist ein großes Geschenk." Sie kniete sich vor Kathryn, und ihr Gesichtsausdruck wurde ganz sanft und verträumt.
„Er muß Euch sehr lieben", flüsterte sie.
Kathryns Fröhlichkeit verflog. Liebe war das einzige, was sie niemals von Guy erhoffen, geschweige denn erwarten durfte.
Dennoch widersprach sie Gerda nicht, denn sie wollte ihr nicht die Freude verderben. „Du und Sir Michael liebt einander", stellte sie nur fest. „Es ist nichts als recht, daß ihr beide zusam-menkommt."
„Herrin, Ihr habt mein ganzes Leben verändert." Tränen traten dem Mädchen in die Augen. „Wie könnte ich Euch jemals danken?"
Kathryn legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Das hast du bereits getan."
Gerda umfaßte Kathryns Hand. „Ich kann überhaupt nicht ausdrücken, wieviel Freude mir dieser Tag gebracht hat. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als daß Ihr ebenfalls so glücklich werdet."
„Dann sei beruhigt, Gerda, denn ich bin glücklich." Das war nicht einmal wirklich gelogen, denn unglücklich war sie ja tatsächlich nicht. Sie war so glücklich, wie eine Frau nur sein konnte, deren Gemahl sie nicht liebte.
Im November zeigte sich das Wetter launisch. Warme und sonnige Tage lösten sich mit kalten und regnerischen ab. Anfang De-zember hielt der Winter Einzug. Der Bach gefror, und glitzernder Schnee ließ die Linien der Landschaft weicher erscheinen.
Es wurde bitterkalt. Wer sich hinauswagte, blieb meistens nicht lange, und der gesuchteste Platz war der am warmen Herdfeuer in der großen Halle.
Während dieser langen Wochen regierten Angst und Zweifel Kathryns Gedanken. Zwar teilte sie Guys Gemach, sein Bett und die Freuden darin, doch am Tag kehrten die Sorgen stets zurück. Sie war sich schließlich der Tatsache bewußt, daß Guy sie nicht aus zärtlicher Zuneigung geheiratet hatte. Möglicherweise hatte er es sogar nur getan, um sicherzustellen, daß er einen Erben hatte, sollte seinem Sohn etwas zustoßen. Letzteren hatte er mit Elaine gezeugt, der Frau, die er geliebt hatte.
Und was wird einmal aus unserem Kind? fragte sich Kathryn immer wieder. Falls es ein Mädchen wurde, würde Guy es dann weniger lieben als seinen Erstgeborenen? Oder würde er es deswegen weniger lieben, weil die Kindesmutter Kathryn und nicht Elaine war?
Diese Gedanken und noch viele andere mehr beunruhigten sie. Dennoch konnte sie das winzige Pflänzchen namens Hoffnung nicht verdrängen, das heimlich in ihr wurzelte, weil Guy so zärtlich und liebevoll war. Kathryn hätte beinahe glauben können, er liebte sie - oder sah sie nur, was sie sehen wollte? Sie wußte es nicht.
Als Gerda sie eines Tages fragte, ob die Herrin sie und Peter nicht zum Bach begleiten wollte, stimmte Kathryn mit Freuden zu. Sie zogen sich warm an. Sobald sie aus dem Burgtor traten, schlug ihnen eine heftige Windbö eisige Schneeflocken ins Gesicht, doch trotz der Kälte schien die Sonne strahlend am blauen Himmel. Kathryn fühlte sich so frei wie schon seit Monaten nicht mehr.
Am Bach band Gerda Pferdeknochen unter ihre und Peters Stiefel und führte den Jungen dann vorsichtig auf die zugefro-rene Eisfläche des Bachs. Kathryn sah zu, wie die Magd dem Buben das Gleiten beibrachte und selbst so schnell über das Eis flog, daß ihr Zopf hinter ihr herflatterte.
Kathryn seufzte sehnsüchtig. Wie gern hätte sie es dem Mädchen gleichgetan! Sie wußte freilich, daß ein möglicher Sturz für sie katastrophale Folgen haben würde.
Mit Gerdas Hilfe hielt sich Peter recht wacker, doch als er es einmal ganz allein probieren wollte, landete er auf dem Bauch.
Er stand sofort wieder auf
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