Geliebter Feind
getan?"
Sie drückte ihr erhitztes Gesicht in das Kopfpolster. „Nein", antwortete sie kaum hörbar. „Ihr habt mir nicht weh getan."
Er stieß einen leisen Fluch aus, faßte ihr Kinn und hob sich ihr Gesicht zu. „Kathryn, sprecht! Weshalb weint Ihr? Was habt Ihr?"
Kathryn bemühte sich mit aller Macht, ein Lächeln zustande zu bringen. „Gar nichts, Guy. Es ist wirklich nichts. Ich .. . ach Guy, bitte, haltet mich fest."
Sofort schlang er die starken Arme um sie. Liebevolle, zärtliche Worte flüsterte er ihr zu, und Kathryn klammerte sich um so fester an ihn.
Ihr wirres Haar breitete sich über seiner Brust aus. Mit den Fingern kämmte er die seidigen Strähnen, hob sie ein wenig an und wickelte sie sich um die Hand. In der mondsilbernen Dunkelheit meinte Kathryn ein Lächeln auf seinen Lippen zu entdecken, und ihre Gedanken wanderten unaufhaltsam in eine ihr unbehagliche Richtung.
Stellte sich Guy im Geist vor, das Haar, das er sich so besitzergreifend um die Faust wickelte, wäre hellgolden wie der Som-merweizen? Verglich er jetzt vielleicht gerade seine frühere Gemahlin mit der jetzigen?
Der Schmerz ging tiefer als ein Dolchstoß. Kathryn wünschte, sie könnte die Seelenqual vergessen, doch es gelang ihr nicht.
Sie wußte, daß sie Guy in dieser Nacht erfreut hatte, nur - hatte Elaine ihn vielleicht tiefer befriedigt?
Kathryn seufzte tief. Sie wollte ihren eigenen Namen von seinen Lippen hören. Sie wollte, daß seine Gedanken ausschließ-
lich von ihr erfüllt waren, so daß niemand sonst darin noch Platz fand.
Plötzlich fürchtete sie sich. Zwar war sie diejenige, die er umarmte und liebkoste, doch durfte sie sicher sein, daß sein Herz nicht noch bei einer anderen wohnte?
18. KAPITEL
Einige Tage später ruhte Kathryn in ihrem Gemach, als ein Knappe eintrat und ihr eine Botschaft von Elizabeth über-brachte. Rasch ging Kathryn zur Fensterbank, setzte sich und erbrach das Siegel. Gerade hatte sie den Inhalt des Schreibens überflogen, als Guy hereinkam.
„Wie ich höre, habt Ihr einen Brief von Eurer Schwester erhalten."
Kathryn nickte, und ihre Augen glänzten. „Sie und Sir Hugh werden heiraten!"
Guy lächelte, doch das täuschte über seine innere Anspannung hinweg. Er trat auf Kathryn zu, betrachtete sie prüfend, legte die Finger unter ihr Kinn und hob sich ihren Kopf entgegen, so daß sie ihn ansehen mußte. „Und? Erfreut Euch das?"
„Gewiß", gab sie lächelnd zu. „Elizabeth ist ganz begeistert.
Sie liebt Hugh, und Hugh liebt sie. Wie sollte ich meiner Schwester so viel Glück mißgönnen?"
Die bessere Frage wäre vielleicht, ob sie Hugh den Besitz von Ashbury mißgönnt, dachte Guy. Er verdrängte diesen Gedanken jedoch sofort wieder. Das Thema Ashbury war eines, das er und Kathryn nur selten erwähnten.
Ein dunkler Schatten schlich sich in ihre Augen, und das entging Guy nicht. Zärtlich nahm er Kathryns Hände in seine.
„Weshalb blickt Ihr so finster drein?" Sanft zog er sie von der Fensterbank hoch. „Habt Ihr als Elizabeths ältere Schwester befunden, Sir Hugh Bainbridge sei doch nicht gut genug für eine Ashbury?" neckte er.
„Nicht doch! Hugh ist ein ehrenwerter und respektabler Mensch", erklärte sie mit Nachdruck. „Elizabeth schreibt, sie würde es ja verstehen, wenn wir nicht zur Hochzeitsfeier kommen können", fügte sie leise hinzu. „Doch .. . ach Guy, ich wür-de so gern daran teilnehmen!"
„Wann soll die Trauung stattfinden?"
Daß seine Stimme plötzlich recht scharf klang, fiel Kathryn nicht auf. „Einige Tage vor Epiphanias", antwortete sie.
„Epiphanias! Kathryn, das Kind wird doch nur wenige Tage später zur Welt kommen. Zu diesem Zeitpunkt könnt Ihr ganz unmöglich reisen!"
„Das Kind wird erst Ende Januar geboren werden", widersprach sie.
„Das kann man nie so genau wissen. Ich bedaure, Kathryn, doch wir können leider nicht an der Hochzeit Eurer Schwester teilnehmen."
Sein strenger Blick erschreckte sie. „Ihr wollt es Euch nicht noch einmal überlegen?"
Guy preßte die Lippen zusammen, und seine Miene wurde so düster wie der Himmel bei Gewitter. Er ließ Kathryns Hände los. Sorgte sie sich tatsächlich so wenig um ihr Leben und das ihres Kindes? Möglicherweise war es ihr gleichgültig, ob das Kind starb oder nicht. Vielleicht wollte sie dieses Kind - sein Kind! - ja gar nicht haben . . . "
„Nein", sagte er, und seine Stimme klang stählern. „Ich ziehe es nicht einmal in Erwägung, denn ich will nicht, daß Ihr mein
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