Geliebter Feind
ihn in sein Bett und erlaubte ihm, seine kleine Hand auf ihren Leib zu drücken. Peter war sofort interessiert und neugierig, und so sprach sie mit ihm über sein zukünftiges Brüderchen oder Schwesterchen, damit er darauf vorbereitet war, wenn das Kind geboren wurde.
Nach einer Weile fielen ihm die Augen zu, und bald war er fest eingeschlafen. Kathryn blieb in seinem Bett. Es war so schön, den kleinen warmen Körper neben sich zu fühlen. Sie drückte Peter einen Kuß auf die Stirn und hielt ihn fest im Arm, denn sie hatte das Kind ja schon geliebt, ehe sie seinen Vater lieben gelernt hatte.
Wie um darauf aufmerksam zu machen, daß es auch noch da war, bewegte sich das Ungeborene heftig in ihr. Sie lächelte.
Würde es ein Mädchen oder ein Knabe werden? Würde es dem kleinen Peter ähnlich sein?
Eines Morgens Mitte Januar wachte Kathryn mit dumpfen Kreuzschmerzen auf. Sie drehte sich auf die Seite, doch die Schmerzen ließen auch in dieser Haltung nicht nach. Am Ende stand sie auf. Kaum hatten ihre Füße den kalten Boden berührt, als eine Flüssigkeit an ihren Beinen hinabströmte.
So fand Guy Kathryn vor - benommen starrte sie auf die Pfüt-ze zu ihren Füßen.
Langsam hob sie den Kopf. „Guy, ich weiß nicht. . . "
Er war schon an ihre Seite geeilt. „Das ist das Fruchtwasser", sagte er aufgeregt. „Eure Zeit ist gekommen!" Er hob sie sich vorsichtig auf die Arme und legte sie aufs Bett. „Wann hat es angefangen?" erkundigte er sich besorgt.
„Ich. . weiß es nicht", antwortete sie schwach. „Ich hatte vorhin nur so fürchterliche Kreuzschmerzen." Noch während sie sprach, fühlte sie ein leises Ziehen im Schoß, das nach ein paar Augenblicken wieder aufhörte.
Guy bemerkte ihren ängstlich erschrockenen Blick. Ihre Hand fühlte sich eiskalt in seiner an. „Ich werde jetzt lieber Gerda suchen gehen", sagte er leise. „Und anschließend hole ich eine Wehfrau."
Kathryn klammerte sich an seiner Hand fest, als er aufstehen wollte. „Wartet!" rief sie matt.
„Was ist, Liebste? Habt Ihr wieder Schmerzen?" Er strich ihr eine Haarsträhne von der Wange.
Kathryn schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht sprechen, weil Guys Sanftheit und seine Sorge um sie ihr einfach den Hals zu-schnürten. So lange war es schon her, seit er sie zum letztenmal so angeschaut hatte ...
Er sollte nicht fortgehen! Er sollte sie fest in den Arm nehmen, denn plötzlich fürchtete sie sich vor dem, was ihr bevorstand.
Ihr Stolz ließ es indes nicht zu, daß sie solche Schwäche einge-stand.
„Es ist nichts", brachte sie schließlich heraus und lächelte unter mühsam zurückgedrängten Tränen.
„Es wird alles gut werden, Liebste." Er drückte ihre Hand.
„Und ich hole jetzt Gerda." Damit verließ er das Gemach.
Kurz darauf stürzte Gerda herein. „Herrin!" rief sie. „Der Herr sagt, das Kind kommt."
Mit Gerdas Hilfe setzte sich Kathryn auf. „Möglicherweise ist es auch nur ein falscher Alarm", meinte sie mit einem kleinen Lachen. „Mir ist irgendwie merkwürdig, doch leide ich keine wirklichen Schmerzen."
Es dauerte nicht lange, bis das Ziehen in ihrem Schoß wieder einsetzte, diesmal allerdings heftiger als zuvor. Kathryn hielt es nicht mehr im Bett aus. Sie war viel zu aufgeregt und hatte Angst. Also ging sie im Zimmer auf und ab, und immer wenn der Schmerz unerwartet wieder einsetzte, hielt sie den Atem an und beugte sich vornüber.
Am frühen Nachmittag traf endlich die Wehfrau ein. Sie hatte zuvor bei einer Geburt im Dorf helfen müssen. Elsa war eine stämmige Frau mit dünnem eisengrauen Haar. Guy, der den ganzen Morgen wegen der Verzögerung gewettert hatte, folgte ihr die Treppe hinauf, wurde jedoch vor der Tür zum Gemach von ihr mit strenger Rede zurechtgewiesen.
„Ich bitte Euch, Herr! Ein Mann bei einer Kindsgeburt?" Miß-
billigend schüttelte sie den Kopf. „Das wäre ja etwas ganz Neues. Ihr Männer stürzt euch zwar mutig in jede Schlacht, doch ich fürchte, bei einer Niederkunft würde jeden von euch der Mut verlassen. Mir kommt Ihr jedenfalls nicht in die Quere, Herr."
Mit einer energischen Handbewegung wollte sie ihn fortschicken. „Außerdem dauert es zweifellos noch Stunden, denn für Eure Gemahlin ist es das erste Mal. Und jetzt geht endlich!
Ihr werdet Euren Sohn schon rechtzeitig zu sehen bekommen, das verspreche ich Euch."
Guy starrte die Frau wütend an, mußte im stillen dann jedoch zugeben, daß sie von der Sache wohl mehr verstand als er. Also drehte er sich
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