Geliebter Feind
schließlich stumm um und ging.
Die Schmerzen ließen sich durchaus ertragen, wie Kathryn feststellte, und am späten Nachmittag legte sie sich wieder ins Bett. Immer wenn der Krampf erneut einsetzte, hielt sie die Luft an, bis es vorüber war.
Es wurde Abend und Nacht, und jetzt fuhren die Schmerzen wie Dolchstiche durch ihren Leib. Gerda und Elsa drängten Kathryn zu hecheln und zu atmen, doch sie war nicht mehr an-sprechbar. Irgendwie erlag sie der Vorstellung, daß das Ganze leichter zu ertragen wäre, wenn sie es in sich zurückhielt. Also gab sie keinen Ton von sich. Sie schrie nicht und wimmerte nicht, denn Guy sollte nichts hören. Er würde sich sonst wie Onkel Richard verhalten. Er würde sie auslachen und sie für feige und schwach halten.
Unten in der großen Halle ging derweil Guy auf und ab wie ein Löwe im Käfig. Er wußte um die Gefahren bei der Niederkunft; nicht alle Frauen überlebten sie, und Kathryn war doch so klein und zerbrechlich. Wenn er nur daran dachte, daß ihr etwas zustoßen könnte, brach ihm schon der kalte Schweiß aus. Und nichts war von oben zu hören, kein einziger Ton. Was ging da eigentlich vor?
Der kalte Wintermond stand schon hoch am Himmel, und jetzt hielt Guy es nicht länger aus. „Der Teufel soll diese verdammte Wehfrau holen", sagte er zu Sir Michael. „Dies ist mein Haus, und ich betrete alle Räume darin, wann immer ich will."
Schon sprang er die Treppe hinauf und stürmte in das Gemach.
Zwei besorgte Gesichter wandten sich ihm entgegen. Alles war unheimlich still. Ein eiskalter Schauder lief ihm über den Rücken.
Mit wenigen Schritten war Guy beim Bett. Kathryn hatte die Augen geschlossen. Ihre Haut war so bleich wie das Leinentuch unter ihr, und sie lag so regungslos da, daß er einen Herzschlag lang fürchtete, sie wäre schon von dieser Welt in eine andere hinübergegangen.
Doch dann bewegte sie sich plötzlich. Sie ballte die Fäuste. Zu seinem Entsetzen bemerkte Guy, daß sie sich ihre Unterlippe blutig gebissen hatte und es jetzt wieder tat. Sie bog den Rücken hoch, warf den Kopf wild hin und her und lag dann plötzlich wieder ganz still, als hätte der letzte Lebenshauch sie verlassen.
„Herr, das Kind wäre schon längst auf der Welt, wenn Eure Gemahlin der Natur ihren Lauf ließe."
Guy wurde aschfahl. „Wie soll ich das verstehen?"
Gerda beantwortete ihm die Frage. „Sie hält die Schmerzen fest in sich verschlossen, Herr." Tränen liefen dem Mädchen übers Gesicht. „Sie hat kein einziges Mal geschrien. Wenn sie sich einfach gehen ließe, würde es die Geburt sehr beschleunigen, doch sie wimmert ja nicht einmal leise. Wir haben immer wieder versucht, es ihr zu sagen. Ich glaube nur, sie hört uns nicht mehr."
In diesem Moment wurde Kathryn von einer neuen Wehe geschüttelt. Atemlos drückte sie die Beine zusammen, drehte und wand sich, bis sich ihre Muskeln wieder entspannten. Guy begriff nun, was die beiden Frauen meinten.
Er setzte sich aufs Bett, faßte Kathryn bei den Schultern und schüttelte sie sanft. Sie öffnete die blicklosen Augen. „Kathryn", sagte er eindringlich. „Liebste, hört mich an. Wenn der Schmerz einsetzt, dann bekämpft ihn nicht, denn auf diese Weise macht Ihr alles nur um so schlimmer. Schreit so laut Ihr könnt!"
„Nein", widersprach sie schwach. „Ich darf nicht schreien . . .
dann hält er mich für schwach ... schwach und hilflos . . . dann verhöhnt er mich ... sagt, daß sein Wille über meinen triumphieren muß . . . "
Zu seiner Bestürzung erkannte Guy, daß sie von ihm gesprochen hatte. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Kathryn, ich halte Euch ganz und gar nicht für schwach. Ihr seid stark und tapfer und fürchterlich stolz, und ich will Euch gar nicht anders haben. Ach Kathryn, ich liebe Euch! Hört Ihr mich? Ich liebe Euch!"
Wieder schüttelte eine Wehe ihren Körper. „Nein, Kathryn!"
sagte Guy scharf und streng. „Arbeitet mit, hört Ihr? Geht nicht dagegen an, Kathryn!"
Sie hörte nur seine scharfe Stimme, erfaßte jedoch seine Worte nicht, und als sie die Augen aufschlug, sah sie verschwommen Guys strenges, finsteres Gesicht vor sich. Sie versuchte ihn fort-zustoßen. Er war wieder böse mit ihr. Immer war er böse . . .
Sie war so müde. So müde, daß sie am liebsten die Augen geschlossen hätte - für immer. Doch schon setzte der nächste Schmerz ein, und selbst wenn sie hätte schreien wollen, würde ihr jetzt die Kraft dazu gefehlt haben.
Guys Gesicht war
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