Geliebter Feind
ehrfürchtigen Staunens.
Von ihr unbemerkt stand unterdessen Guy an der Tür und betrachtete das Bild, das sich ihm bot. Zwei dunkle Köpfe so dicht beieinander, eine winzige Faust, die sich an eine weiße, von blauen Adern durchzogene Brust drückte ... Emotionen erfüllten ihn, die so stark waren, daß er sich eine lange Zeit nicht bewegen konnte.
Kathryn hatte das Kind gerade von der einen zur anderen Brust gewechselt, als er endlich ans Bett trat. Sie errötete, weil sie merkte, wie er den Anblick ihrer Nacktheit genoß. Guy lä-
chelte ein wenig über ihre Verlegenheit. Kathryn bedeckte sich allerdings nicht, sondern reichte ihm nur stumm ihre freie Hand entgegen.
Er führte sich ihre Finger an die Lippen. „Wie geht es Euch?
erkundigte er sich leise.
Obgleich sie noch erschöpft war und ihr Körper noch schmerzte, spürte sie die Berührung seiner Lippen bis zu den Zehenspitzen hinab. „Mir geht es gut", versicherte sie lä-
chelnd und befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze«
„Und wie steht es mit Euch, Herr? Wie findet Ihr Eure Tochter?"
„Unsere Tochter", berichtigte er. Er setzte sich auf die Bettkante und strich mit einer Fingerspitze über die Wange des Kindes. Das rosa Mündchen hörte zu saugen auf; dunkle Augenbrauen zogen sich über der winzigen Stupsnase zusammen. Das sah so komisch aus, daß Kathryn und Guy lachen mußten.
„Wie wollen wir sie nennen?" fragte Guy.
Kathryn war so davon überzeugt gewesen, ihm einen zweiten Sohn zu schenken, daß sie über einen Namen für eine Tochter überhaupt nicht nachgedacht hatte. Jetzt tat sie es. „Mir fällt eigentlich nur ein einziger ein", gab sie zu. „Was würdet Ihr von Brenna halten?"
„Brenna . . . " Er tat, als kostete er den Namen mit der Zunge.
„Brenna - nach der schwarzhaarigen Jungfrau aus der Sage, ja, das ist ein passender Name, denn unsere Tochter wird in der Tat einmal zu einem ,Mägdelein mit rabenschwarzem Haar'
heranwachsen. Indessen . . . was haltet Ihr von Brenna Elizabeth?"
Kathryn strahlte. „O ja! Das würde mir gut gefallen." Sie lachte. „Und wie sehr wird es erst Elizabeth gefallen!"
„Dann soll unsere Tochter also Brenna Elizabeth heißen."
Zufrieden schaute Kathryn ihren Gemahl an. Sie war zwar noch ein wenig blaß, doch zu ihrer früheren Schönheit hatte sie nun noch ein schwer zu beschreibendes inneres Leuchten hinzugewonnen. Guy war über die Maßen glücklich, sie so zu sehen.
Nach einem Moment senkte sie den Blick. „Hat Peter sie schon gesehen?"
Guy nickte. „Ihr Geschrei hat ihn in der Nacht geweckt, und da habe ich sie ihm gezeigt. Ihr hattet fest geschlafen ", fügte er nach einer kleinen Pause leise hinzu. „Gestern habt Ihr mich in Angst und Schrecken versetzt, Kathryn", sagte er dann noch leiser. Er vermochte nicht auszusprechen, daß er gefürchtet hatte, er würde sie für immer verlieren.
Kathryns Erinnerungen an die Wehen waren verworren. Sie wußte allerdings, daß Guy im Augenblick der Geburt bei ihr gewesen war. Sie hatte seine starken und trotzdem so sanften Hände gefühlt, und hinterher hatte er Brenna und sie umarmt.
„Ich bin froh, daß es vorüber ist", sagte sie leise und zögerte dann ein wenig. „Guy, ich würde gern wissen... Seid Ihr furchtbar enttäuscht?"
„Enttäuscht?" fragte er aufrichtig verblüfft. „Weshalb sollte ich denn enttäuscht sein?"
Ihr langes Haar fiel wie ein schwarzer Vorhang vor ihr Gesicht. „Weil ich Euch eine Tochter geboren habe statt eines zweiten Sohnes", antwortete sie kaum hörbar.
Guy faßte ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger und drehte ihr Gesicht zu sich herum.
Kathryn wagte kaum, ihn anzuschauen, so sehr fürchtete sie sich vor seiner Miene. Was sie dann allerdings sah, war nichts als Wärme und Zärtlichkeit.
Mit dem Daumen strich er über ihre schmollenden Lippen.
„Hört mir zu, Liebste. Meine einzige Sorge war es, daß Ihr und das Kind - sei es ein Knabe oder ein Mädchen - wohlauf sein mögt. Ich danke dem Schöpfer, daß er mich mit einem so wunderbaren Geschenk gesegnet hat."
Mit einer Fingerspitze zeichnete er die winzigen schwarzen Augenbrauen seiner Tochter nach; groß und dunkel sah seine Hand neben dem kleinen Menschlein aus.
„Brenna Elizabeth ist in der Tat ein sehr kostbares Ge-i schenk", sagte er sanft. „Ich bezweifle nicht, daß sie einmal eine ebensolche Schönheit wird wie ihre Mutter." Er neigte sich nieder und küßte das flaumweich behaarte Köpfchen.
„Ja, sie ist wirklich
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