Geliebter Feind
gehabt haben.
Verdammt, fluchte er im stillen und schlug die rechte Faust in die linke Hand. Verdammt! Er wollte Richards Tod als Vergeltung für den Mord an Elaine; anders würde er innerlich nie zur Ruhe kommen. Nur hatte er diesem Mädchen sein Ehrenwort gegeben, und das durfte er nicht brechen, jedenfalls nicht hier auf Ashbury.
„Glaubt mir", sagte er kalt zu Richard, „nichts würde mir ei-ne größere Freude bereiten, als Euch so zu berauben, wie Ihr mich beraubt habt, und Euch alles zu nehmen, was Euch lieb und teuer ist."
„Ich werde alles tun, was Ihr verlangt, Herr! Ich flehe Euch nur an - verschont mein Leben! Ich will noch nicht sterben. Bitte, Herr!"
Richard zitternd auf dem Boden vor sich liegen zu sehen, bereitete Guy keinerlei Triumph. Besaß der Elende denn keine Eh-re und keinen Stolz?
„Eure Länder gehören mir bereits jetzt", erklärte er. „Sie wurden Euch unter König Stephens Herrschaft übereignet.
Nachdem jetzt jedoch Heinrich II. den Thron bestiegen hat, ist Euch Euer Titel aberkannt worden."
Sir Hugh trat mit dem königlichen Erlaß vor. Benommen starrte Richard auf das Dokument.
Guy lächelte grimmig. „Es ist Heinrich bekannt, daß Ihr den Vasallen eines abwesenden Kreuzfahrers überfallen habt. Aus diesem Grund hat er bestimmt, daß Ashbury und Eure anderen Besitzungen an mich übergehen."
Kathryn hörte das mit Erschrecken. Ashbury in der Hand dieses Teufels! In ihrem Kopf drehte sich alles.
„Was nun Eure Bestrafung betrifft", wollte Guy fortfahren, doch Richard ließ ihn nicht ausreden.
„Heinrich hat mir meine Länder entzogen!" Er stand vom Boden auf. „Ist das nicht Strafe genug?"
Die Augen des Earls glitzerten wie blanker Stahl. „Nicht genug Strafe für Eure Untaten. Deshalb hat der König Euer Schicksal in meine Hände gelegt."
Geschlagen ließ Richard die Schultern sinken. „Und worin soll meine Bestrafung bestehen?"
„Das habe ich noch nicht entschieden", erklärte der Earl kalt.
„Bis es soweit ist, werdet Ihr dieses Gemach nicht verlassen. Ihr mögt Euch damit trösten, daß Ihr Eure letzten Tage in angenehmer Umgebung, und nicht in einem Kerkerverlies verbringen werdet."
Guy drehte sich um und verließ den Raum. Hugh bedeutete Kathryn, zu folgen. Sie ging an ihrem Onkel vorbei, ohne ihn noch einmal anzublicken. Draußen im Gang, wo der Earl wartete, blieb sie stehen.
„Werdet Ihr auch einen Wachmann vor meiner Tür postie-ren?" erkundigte sie sich, und ihre Stimme klang bitter.
Irgendeine Regung zuckte über sein Gesicht, und Kathryn hatte fast den Eindruck, als hätte sie ihn gekränkt. Doch im nächsten Moment zeigte seine Miene wieder Eiseskälte. „Wenn Ihr mir keinen, Anlaß dazu gebt, dann nicht", antwortete er.
„Andernfalls werde ich nicht zögern, Euch zu Eurem Geliebten in den Kerker zu werfen."
Er wandte sich an seinen Freund. „Hugh, geleite die Dame zu ihrem Gemach. Danach treffen wir uns an der Stelle, wo wir hereingelangt sind."
Kathryn wußte nicht, worüber sie erzürnter war - über sein spöttisches Lächeln oder über die Tatsache, daß er sie offenbar nicht für eine Bedrohung hielt. Sie drehte sich um und begab sich auf den Weg zu ihrem Gemach. Sir Hugh gehorchte seinem Herrn und folgte ihr.
Als sie vor ihrem Gemach standen, hatte sich Kathryns Zorn schon ein wenig abgekühlt. Sie blickte zu Elizabeths Tür hin-
über. „Ich muß meine Schwester wecken und ihr sagen, was geschehen ist."
Hugh berührte sie sanft an der Schulter. Ihm war klar, daß das alles ein furchtbarer Schlag für diese junge Frau sein mußte. Eigentlich hätte er sie hassen müssen - sie war schließlich von Richards Blut -, doch das gelang ihm nicht. An dem Verrat ihres Onkels war sie ja nicht beteiligt gewesen, und jetzt wirkte sie so geschlagen. .
„Ich sehe Euch an, daß Ihr meinen Herrn für hart und grausam haltet", sagte er leise. „Glaubt mir . ."
„Das ist es nicht", unterbrach sie ihn.
„Was dann?"
„Habt Ihr jemals Eure Heimstatt verloren, Sir Hugh? Euer Land?"
Hugh lächelte ein wenig schief. „Nein, denn ich habe noch nie das eine oder das andere besessen. Meinem Vater gehörte zwar ein kleiner Herrensitz in Sussex, doch ich bin nur der Drittgebo-rene. Den Herrensitz hat mein ältester Bruder geerbt." Er schaute zu der hohen Decke hinauf. „So herrlich wie diese Burg hier war Vaters Herrensitz auch nicht."
Kathryn senkte den Blick. „Elizabeth und ich wurden hier geboren, so wie unser Vater und dessen Vater vor
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