Geliebter Feind
blieb niemandem etwas schuldig, schon gar nicht ihr. Also hatte er sich mit dieser großzügigen Gabe seiner Dankver-pflichtung entledigt.
Hätte er ihr dieses Geschenk aus Herzensgüte, und nicht wegen des Vorfalls mit Peter gemacht, wieviel mehr hätte es ihr bedeutet! Das freilich wollte und konnte sie ihm nicht eingestehen.
Der Earl legte ihr die Hände auf die Schultern. „Kathryn, was habt Ihr? Ich dachte, Ihr wärt erfreut."
„Erfreut? Ich weiß doch ganz genau, weshalb Ihr das getan habt - weil ich Peter vor den Hufen des Schiachtrosses bewahrt habe. Dafür habe ich jedoch von Euch keine Bezahlung verlangt, und ich will auch keine. Es sieht Euch ähnlich zu glauben, daß ich . . . Euren Sohn gerettet habe . . . weil ich mir eine Belohnung dafür versprochen hatte. Und Ihr beleidigt mich furchtbar, wenn Ihr das denkt!"
Guy betrachtete sie. Irgendwie mußte er einmal mehr ihren Stolz bewundern. „Befreit Euch von dieser Vorstellung", sagte er. „Gewiß bin ich dankbar, daß mein Sohn noch am Leben ist.
Der Stoff indessen ist ein Geschenk, und keine Belohnung. Ich habe ihn Euch geschenkt, weil es mir Freude machte - und weil es mir noch mehr Freude machen würde, Euch in diese Stoffe gekleidet zu sehen."
Er hatte ebenso hitzig gesprochen wie sie, und jetzt wußte sie nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie fühlte nur noch die Wärme seiner Finger durch ihr Gewand dringen, und die löste ein un-willkommenes Kribbeln auf ihrer Haut aus.
„Trotzdem kann ich ein derartig kostbares Geschenk nicht annehmen", erklärte sie entschieden.
„Und weshalb nicht?"
Die zur Schau gestellte Würde verließ sie. Kathryn mußte sich die Antwort abringen. „Weil Ihr wißt, daß ich dafür nichts bezahlen kann", sagte sie sehr leise.
„Ich wiederhole: Die Stoffe sind mein Geschenk für Euch, und für Geschenke erwartet man schließlich keine Bezahlung.
Ich erlaube mir hinzuzufügen, daß Ihr es seid, die mich beleidigt, wenn Ihr mir eine solche Haltung unterstellt."
Kathryn senkte den Blick. „Ich bitte um Vergebung."
„Andererseits gebe ich zu, daß ich gegen ein kleines Zeichen des Danks nichts einzuwenden hätte." Seine Stimme klang unerwartet sanft und weich.
Erstaunt blickte Kathryn auf. Ein winziges Lächeln spielte um seine Lippen, doch es enthielt keine Spur des üblichen Spotts, und auch keine der ebenso üblichen Überlegenheit. Und sein Blick war beinahe ... zärtlich.
Was geschieht nur mit mir? fragte sie sich erschüttert und verwirrt, als sein Mund ihren schon fast berührte. Mit Furcht und Schrecken dachte sie daran, was sie empfunden hatte, als er sie so hart und heftig geküßt hatte. Schon breitete sich eine gefährliche Hitze in ihrem Körper aus, doch da tippte sich Guy mit einem Finger auf die Wange und deutete so seinen Wunsch an.
Kathryn wußte nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, reckte sich auf den Zehenspitzen hoch und richtete sich darauf ein, ihm einen kurzen, flüchtigen Kuß auf die gewünschte Stelle zu liefern. In dem Augenblick, da ihre Lippen seine Wange berührten, drehte er den Kopf.
Seine und ihre Lippen trafen aufeinander, und die Berührung durchfuhr Kathryn wie ein feuriger Pfeil. Sie wollte den Kopf sofort zurückziehen, tat es jedoch nicht, und das war ein Fehler, den Guy sich gut zunutze machte.
Dies war nicht die keusche Berührung, auf die sie sich vorbereitet hatte. Kathryn verlor jede Kontrolle über den Gang der Dinge. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen seiner Zunge, und bald war nicht einmal ihr Geschmack mehr ihr eigener, sondern seiner.
Ich muß ihn fortstoßen und davonlaufen, solange es noch möglich ist, dachte sie und hob die Hände, als wollte sie das auch tun, doch dann taten ihre Finger, was sie wollten, und hielten sich an seiner Tunika fest.
Er schlang die Arme fest wie eiserne Fesseln um ihren Rücken und nahm ihren Mund ganz in Besitz. Erst zur einen, dann zur anderen Seite neigte er den Kopf. Mit den Lippen drängte und verführte, forderte und verlockte er. Kathryn hatte den Eindruck, als bliebe dieser Kuß nicht nur auf ihren Mund beschränkt, denn sie konnte ihn bis hinunter in die Zehenspitzen spüren.
Guy ließ den Mund zu ihrer Halsbeuge gleiten. Kathryn bog den Kopf in den Nacken, und mit einem wohligen Erschaudern fühlte sie die heißen Lippen an ihrem Hals. Derweil strich Guy mit der Hand von ihrer Taille aufwärts.
Kathryns Herz stockte, als seine Finger an ihrer
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