Geliebter Feind
Schultern und blickte dem Earl zornig entgegen. „Klopft Ihr niemals an, Herr? Für einen so hoch Geborenen sind Eure Manieren so schlecht wie die des niedersten Leibeigenen, will mir scheinen."
„Ich bin hier der Herr, Kathryn. Ich gehe, wohin es mir beliebt, ich verlange, was mir beliebt, und ich tue, wie mir beliebt.
Im Moment scheint mir, daß eine Abrechnung fällig ist, denn ich habe etwas von Euch einzufordern - von Euch, die so viel Wert auf Wahrheit legt."
Mit zwei Schritten war er bei ihr, riß ihr den blauen Samt aus den Händen und schleuderte ihn durchs Gemach. Kathryn, die dem Earl dessen Wut deutlich ansah, wagte nicht, sich zu bewegen. Guy de Marche ging einmal um sie herum, und als er wieder sprach, klang seine Stimme furchterregend sanft.
„Euer Kind, Kathryn - wann erwartet Ihr es?"
Sie wurde kreidebleich. Dieser Mann konnte doch unmöglich wissen, daß . . oder etwa doch? Ein erstickter Schrei entrang sich ihren Lippen. „Ihr wißt es, nicht wahr? O mein Gott, Ihr wißt es ..."
„Was denn, Kathryn? Was weiß ich?" Er blieb vor ihr stehen, legte ihr die Hände um den Hals und streichelte mit dem Daumen ihr Kinn.
Die Panik packte sie. Der Earl brauchte doch nur zuzudrük-ken, und ihr Leben wäre beendet! Sie schloß die Augen. „Es gibt kein Kind", stieß sie hervor.
Guy hielt jetzt seine Daumen still. „Es gab auch nie eines, oder?"
Kathryn fürchtete, jeder Augenblick könnte ihr letzter auf Erden sein. Stumm schüttelte sie den Kopf und schlug dann die Augen wieder auf.
Sein mörderischer Blick durchbohrte sie. „Es war eine Intrige, die Ihr und Eure Schwester erdacht hattet!"
„Nein!" rief sie. „Jedenfalls ist es nicht so, wie Ihr denkt. Ich gebe zu, ich hatte vor, meinem Onkel zu erzählen, ich sei schwanger, so daß er mir und Roderick die Heirat hätte gestatten müssen. Doch das erwies sich dann ja nicht mehr als nötig, weil. . . " Sie wußte nicht weiter. „Ich habe Euch ja auch gar nicht gesagt, daß . . Das war Elizabeth, und weshalb sie es getan hat, weiß ich nicht, Herr."
Wie hübsch sie lügen konnte! Darauf wollte Guy allerdings nie wieder hereinfallen. „Zweifellos wollte Eure Schwester Euch aus meinen bösen Klauen befreien. Vielleicht fürchtete sie, ich könnte Euch schänden und besudeln, Euch wie die Hure benutzen, die Ihr ja auch seid."
Seine Verachtung traf sie tief. Als ekelte er sich vor der Berührung mit ihr, ließ er die Hände sinken, trat zurück und betrachtete Kathryn aus der Entfernung.
Todesmutig reckte sie das Kinn und begegnete seinem Blick so tapfer wie ein Krieger. „Ihr habt mich überführt, Herr. Also bestraft mich. Prügelt mich, peitscht mich aus; mich kümmert's nicht. Im Gegenteil, es wäre mir sogar recht, denn das gäbe meinem Haß neue Nahrung. Wisset jedoch, eines Tages werde ich mich von Euch und Eurer Herrschaft befreit haben, und dann wird die Rache mein sein!"
Guy starrte in ihre zornsprühenden grünen Augen und fragte sich, ob diese Frau überhaupt ahnte, was sie mit ihrer herausfordernden Drohung riskierte. Und dann wurde jeder vernünftige Gedanke von etwas ganz anderem verdrängt.
Daß ihn ausgerechnet jetzt das heiße Verlangen packte, war ihm ganz und gar nicht recht. Er konnte es nicht beherrschen -
und weshalb sollte er das eigentlich auch tun?
„Das könnte Euch so passen! Ich soll im Zorn Hand an Euch legen, ja? Beruhigt Euch; es würde mich nicht befriedigen, Eure hübsche Haut zu ruinieren." Ein häßliches Lachen verunzierte seinen schönen Mund. „Doch seid sicher, meine Liebe, Ihr werdet meine Hand heute nacht zu spüren bekommen."
Ihr stockte der Atem. „Was . . . was soll das heißen?"
„Erinnert Ihr Euch an die Nacht auf Ashbury, als Ihr zu mir in mein Gemach kamt?" Langsam trat er auf sie zu.
Sie erbleichte. Großer Gott, wie hätte sie diese Nacht vergessen können! Seine folgenden Worte hörte sie wie durch einen dichten Nebel.
„Ja, wie soll ich mich ausdrücken? Ihr hattet die Absicht, die Einsamkeit in meinem leeren Bett zu lindern." Bedeutungsvoll ließ er den Blick über ihren Körper gleiten.
Kathryn lief es eiskalt über den Rücken. Sie erkannte sein festes Vorhaben an seinen glitzernden Augen: Er wollte ihr tatsächlich beiwohnen! „Nein!" rief sie und streckte eine Hand aus, als wollte sie ihn abwehren.
Er jedoch faßte sie bei den Armen und zog sie zu sich heran.
„Doch", spottete er. „O doch!"
Sie wehrte sich vergeblich, denn wie Eisenfesseln schlossen sich seine
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