Geliebter Feind
trage?" fragte sie langsam.
Ein harter Zug erschien auf seinem schönen Gesicht. „Ihr liebt ihn ja nicht, Kathryn. Ich weiß doch, daß Ihr ihn nicht liebt."
Gewiß nicht, nur liebte sie Roderick ebensowenig. Hin-und hergerissen, wie sie war, wehrte sie sich nicht, als er sie zu sich heranzog und seinen Mund auf ihren preßte. Sie ließ es zu, daß er zwischen ihre Lippen drang, und wunderte sich nur darüber, wie unbeteiligt sie dabei blieb. Sein Kuß war ihr weder angenehm noch unangenehm.
Roderick merkte nichts davon. Er hob den Kopf und lachte triumphierend. „Seht Ihr, Lady Kathryn? Zwischen uns hat sich gar nichts verändert. Ihr könnt es nicht ablehnen, mich zu heiraten!"
Kathryn stimmte dem weder zu, noch bestritt sie es. „Es kommt alles so überraschend", meinte sie nur. „Roderick, so vieles ist inzwischen geschehen. Ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken. . . "
Roderick lachte nicht mehr; er grinste höhnisch. „Eurem Anblick nach zu urteilen, bleibt Euch nur nicht mehr sehr viel Zeit dazu. In zwei, drei Monaten werdet Ihr einen Bastard zur Welt bringen."
„Nein!" schrie sie. „Sagt so etwas nie wieder! Mein Kind ist kein Bastard!"
„Das wird es wohl sein, falls Ihr nicht heiratet, und zwar umgehend. Ich schwöre, ich würde Euer Kind wie mein eigenes aufwachsen lassen." Seine Augen glühten. „Kathryn, Ihr müßt mich sofort heiraten. Noch heute nacht. Das Kloster ist nicht weit. Wir können uns auf der Stelle dorthin begeben und uns trauen lassen, wie wir es geplant hatten."
„Heute nacht? Roderick, das ist zu früh."
Ungeduldig winkte er ab. „Es muß heute nacht sein! Wenn Ihr nicht schnellstmöglich dafür sorgt, daß die Gerüchte verstum-men, wird Euer Kind für alle Zeiten gebrandmarkt sein. Ist das etwa Euer Wunsch?"
Roderick hat ja recht, dachte sie. Falls sie nicht bald handelte, würde diese einzige Torheit den Rest ihres Lebens überschatten - und das Leben ihres Kindes. Der Earl würde sie niemals heiraten. Er haßte sie viel zu sehr, um sich an sie zu binden.
Die Vorstellung, ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen, ließ sie erschaudern. Sie wäre tatsächlich für alle Zeiten entehrt und würde von jedermann gemieden werden. Ihr Kind wäre nichts als eine Hinterlassenschaft der Schande und der Entwür-digung.
Ja, Roderick hatte recht. An den Umständen vermochte sie nichts mehr zu ändern, doch für das ungeborene Kind konnte sie etwas tun, zumindest dafür, daß es einen Namen erhielt und so in Ehren aufwuchs.
Kathryn holte tief Luft. „Ja, ich . . . ich werde Euch heiraten, Roderick."
Er küßte sie noch einmal sehr lange und ausführlich, und dann gab er ihr einen sanften Stoß in ihr Gemach. „Packt Euch ein passendes Gewand ein", befahl er. „Ich erwarte Euch in den Ställen."
Minuten später ritten sie zum Tor hinaus.
15. KAPITEL
Es war noch früh am Abend. In der großen Halle ging der Froh-sinn weiter, und das Bier floß reichlich. Guy de Marche entschuldigte sich und stieg die Treppe hinauf. Er hatte sich nur mit Rücksicht auf Hugh so lange an der Feier beteiligt und sogar gelacht und gescherzt, doch es war alles nur gespielt gewesen. Nach der Konfrontation mit Kathryn befand er sich wahrlich nicht mehr in der Stimmung für irgendwelche Lustbar-keiten.
Vor Kathryns Gemach blieb er stehen und starrte die dunkle Eichentür an. Drinnen war alles still. Ob sie sich wohl beruhigt hatte und zu Bett gegangen war? Durfte er hoffen, daß sie jetzt bereit war, ihn anzuhören?
Er seufzte und ging weiter. Auch zu einem möglichen Streit war er jetzt nicht mehr in der Stimmung.
Als er in sein Gemach trat, stockte ihm der Atem. Die Kerze im Wandhalter warf ihr flackerndes Licht auf die unter den Felldecken zusammengerollte Gestalt, die sich in diesem Moment bewegte und ihm einen flüchtigen Blick auf eine weiblich gerundete Hüfte sowie auf weiße Haut bot.
Guy merkte, wie sich sein Blut erhitzte. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, während er sich geräuschlos zum Bett bewegte. Diesmal hatte er sein Urteil über Kathryn wohl zu vorschnell gefällt.
Langes dunkles Haar floß über das Kopfpolster. Er konnte die seidige Pracht, die sich einst so weich um seine Finger ge-ringelt hatte, fast fühlen, bevor er sie berührte. Er streckte die Hand danach aus und - hielt etwas zwischen den Fingern, das sich wie Stroh anfühlte.
Als hätte er sich daran verbrannt, ließ er die Haarsträhne fallen. Im selben Augenblick setzte sich die Gestalt in seinem Bett
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