Geliebter Feind
nicht Sir Rodericks. Es hat ein schweres Mißverständnis gegeben, und das will ich jetzt richtigstellen."
Der Mönch ließ ihn eintreten und führte ihn dann durch einen schmalen Korridor, deutete auf Rodericks Tür und händigte ihm den Leuchtspan aus. „Lady Kathryn schläft in der Zelle am Ende dieses Ganges, Herr." Damit zog sich der Klo-stermann leise zurück.
Die Mönchszelle war klein und karg. Der einzige Schmuck bestand aus einem hölzernen Kruzifix über der schmalen Pritsche, auf der Roderick lag. Ein Kerzenstumpf spendete trübes Licht.
Guy trat ans Bett, packte den jungen Mann an dessen Tunika und zog ihn auf die Füße.
„Heilige Mutter Gottes!" rief Roderick. „Wie seid Ihr. . . "
Weiter kam er nicht.
„Wenn Euch Euer Leben lieb ist", warnte Guy, „dann empfehle ich Euch, auf der Stelle nach Ashbury Keep zurückzukehren, bevor ich noch vergesse, daß wir uns hier im Hause des Herrn befinden."
Roderick griff sich seine Stiefel und floh.
In ihrer Zelle am Ende des Korridors kauerte sich Kathryn in dem schmalen Bett zusammen. Einen Augenblick lang hob sie den Kopf. Hatte sie nicht eben Stimmen gehört? Oder war es doch nur ihre Einbildung . . .
Ihr Gedankengang brach ab. Die Tür wurde krachend aufgestoßen. Schreckensbleich schoß Kathryn auf ihrer Pritsche in die Höhe.
Zuerst sah sie nur eine gewaltige Gestalt im Türbogen, doch dann trat diese heran, und Kathryn blickte in kalte, silbrig glitzernde Augen.
Diesmal konnte sie nirgendwohin fliehen.
Guy streifte sich die Handschuhe ab und schleuderte sie zur Seite. „Nun, Madam, diesmal habt Ihres tatsächlich erreicht."
Sein Gesichtsausdruck war so böse wie seine Tonlage.
Kathryn zog sich die Wolldecke über die Brüste - ein schwacher Schild gegen ein so gebieterisches Auftreten. Guy durchbohrte sie förmlich mit dem Blick. „Schaut mich nicht so an!"
rief sie. „Was habe ich denn so Furchtbares verbrochen?"
Sämtliche Höllenfeuer loderten in seinen Augen. „Großer Gott!" Seine Stimme schwankte vor Zorn. „Das fragt Ihr noch?" Er rammte seine Faust gegen die Wand.
Kathryn hatte den Earl ja schon öfter zornig gesehen, doch noch niemals so sehr wie jetzt. Die Wut verzerrte seine Gesichtszüge fast bis zur Unkenntlichkeit.
„Verdammt sollt Ihr sein!" brüllte er. „Wie könnt Ihr Roderick heiraten wollen, wenn es mein Kind ist, das Ihr tragt?" Er machte einen Schritt auf das Bett zu, als wollte er Kathryn an-springen.
Instinktiv wich sie zurück, bis ihr Rücken die kalte Mauer berührte, und zog die Knie fest an die Brust. Wie ein verängstigtes Kind kauerte sie auf der Pritsche.
Und dann zerbrach etwas in ihr. Monatelang hatte sie versucht, stark zu sein und sich an dem schwachen Strohhalm der Hoffnung festzuhalten. Nun jedoch waren alle Hoffnungen verloren, und ihr stand nur noch der Schmerz bevor.
Sie barg das Gesicht in den Händen und weinte. Von der tiefen Furcht in ihrem Herzen zur Verzweiflung getrieben, weinte sie hilflos, unaufhörlich und hemmungslos.
Diese starke, feurige Frau in Tränen aufgelöst zu sehen, war so bestürzend für Guy, daß er sie nur fassungslos anstarren konnte. Er hatte sie doch immer für kalt und herzlos gehalten und wäre niemals auf die Idee gekommen, daß sie verletzbar sein könnte!
„Kathryn." Er streckte die Hand über ihrem Kopf aus, wagte es indessen noch nicht, ihr Haar zu berühren. „Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht verängstigen. Ich schwöre es." Er setzte sich aufs Bett und berührte sanft ihre Schulter.
Ein Beben erschütterte ihren Körper. Bei Guys Berührung schien ein Damm in ihr zu brechen. „Seid nicht böse", schluchzte sie immer wieder. „O bitte, seid nicht. . . Ich wußte doch nicht, was ich sonst hätte tun sollen . . . "
Ihr Mut war gebrochen, ihre Tapferkeit und ihr Stolz lagen in Trümmern. Guy ertrug es nicht, sie so zu sehen. Beschützend nahm er sie in die Arme. „Ich bin ja nicht böse. Nur versteht doch, Kathryn - ich konnte schließlich nicht zulassen, daß Ihr Roderick heiratet."
Sie hob den Kopf. Ihre Augen wirkten unnatürlich groß und flehend in ihrem aschfahlen Gesicht. „Ihr müßt mich heiraten lassen!" rief sie, und plötzlich brach alles aus ihr heraus - der Schmerz über den Verlust von Ashbury, ihre Angst vor einer ungewissen Zukunft und das Gefühl der Schande, weil sie das Kind des Earls trug.
„Bringt mich nicht zurück nach Ashbury", flehte sie. „Dorthin kann ich nie wieder gehen. Jedermann dort weiß, daß Ihr
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