Geliebter Feind
auf seinen erschrockenen Freund.
„Sir Hugh, hiermit übereigne ich Euch Ashbury Keep samt allen dazugehörenden Gütern." Er hob seinen Trinkkelch. „Auf Gesundheit, Wohlstand und Glück, mein Freund."
Die Anwesenden brachen in Hochrufe aus. Neben Kathryn warf Elizabeth die Arme um Sir Hugh.
Kathryn hörte und sah nichts mehr. Um sie herum fiel ihre Welt in Trümmer. Guy de Marche hatte Ashbury Sir Hugh überlassen! Sie hatte gedacht, er hätte ihr schon genug angetan, doch damit hatte sie sich getäuscht. Dieser Mensch ersparte ihr nichts. Er zerstörte alle ihre Träume. Sie hatte soeben alles verloren, was sie sich je gewünscht hatte, und für ihr ohnehin krankes Herz war das wie ein Todesstoß.
Um sie herum wurde gejubelt und gelacht. Jedermann war übermütig und fröhlich. Jemand nahm eine Laute zur Hand und stimmte ein munteres Lied an. Inmitten solcher ausgelassener Feierstimmung konnte Kathryn nicht verweilen. Sie wollte es auch nicht. Sie stand auf und drängte sich vorwärts. Es kümmerte ja
ohnehin
niemanden,
wenn
sie
ging.
„Kathryn!"
Sie brauchte sich nicht erst umzudrehen, um nachzusehen, wer da nach ihr rief. Ihre Schritte beschleunigten sich nach und nach, und am Ende rannte sie.
„Kathryn!"
Sie hatte fast die oberste Treppenstufe erreicht. Ihr Atem klang eher wie ein Schluchzen. Als sie auf der letzten Stufe stolperte und der Länge nach auf den Treppenabsatz stürzte, blieb Guy fast das Herz stehen. Er faßte sie bei der Taille und wollte ihr aufhelfen.
Sie wehrte seine Hände ab. Ihr Gesicht war weiß vor Wut.
„Faßt mich nicht an!" keuchte sie, stand auf und zog sich zum Korridor zurück.
Guy streckte eine Hand nach ihr aus, berührte Kathryn jedoch nicht. „Laßt es mich Euch doch erklären", bat er.
Aus ihren Augen loderte der blanke Haß. „Was gäbe es da wohl zu erklären? Ashbury war meine Heimstatt - meine und Elizabeths. Nicht Eure! Nicht Sir Hughs! Jetzt ist alle Hoffnung dahin. . . "
Ashbury, dachte er verbittert. Das kam bei ihr stets an erster Stelle, und so würde es immer sein. Erkannte sie denn nicht, daß er ihr nichts Böses angetan hatte, indem er den Titel Sir Hugh übertragen hatte? Ihm war wahrhaftig keine bessere Möglichkeit eingefallen, um sie von ihrem zwanghaften Verlangen nach Ashbury zu befreien. Er hatte sogar gehofft, er könnte sie dadurch versöhnen.
„Denkt doch einmal nach, Kathryn. Sir Hugh beabsichtigt, Elizabeth zu heiraten. Ashbury wird ihre Heimstatt bleiben.
Der Besitz gehört weiterhin Eurer Familie."
Sie hielt sich die Hände über die Ohren. „Weshalb sollte ich Euch Glauben schenken?" fragte sie zornig. „Ihr wolltet mich der Schande aussetzen, indem Ihr mich hierher brachtet. Ihr tretet meinen Stolz und meine Würde mit Füßen. Ihr nehmt mir alles, und Ihr laßt mir nichts!" Damit drehte sie sich um und lief zu ihrem Gemach.
Guy ließ die Hand sinken. Er hielt Kathryn nicht auf. Ihr Herz war gegen ihn verschlossen. Er konnte nur hoffen, daß sie ir-gendwann zur Vernunft kommen würde. Widerstrebend kehrte er zur großen Halle zurück.
Den heimlichen Schatten, der hinter Kathryn aus einer Mau-ernische trat, sah er nicht.
Vor ihrem Gemach angekommen, wollte Kathryn die Tür öffnen. Eine Hand legte sich von hinten über ihre. Kathryn schrie wütend auf und fuhr herum.
Roderick fing ihre Handgelenke ein, bevor sie ihm noch das Gesicht zerkratzen konnte. Weil sie erwartet hatte, daß es sich um den Earl handelte, der ihr gefolgt war, starrte sie ihn be-stürzt an.
„Still, Kathryn. Sagt jetzt nichts, sondern hört mich an." Er legte ihr seine Hände auf die Schultern. „Ich weiß, wie unglücklich Ihr seid, Liebste, und daran ist nur dieser überhebliche Hu-rensohn de Marche schuld. Niemand weiß besser als ich, wie sehr er Euch unrecht getan hat."
Mit den Daumen streichelte er ihren Hals. „Ihr dürft indessen nicht glauben, daß Ihr Euch an niemanden wenden könnt, denn ich bin ja für Euch da. Ihr braucht nur ein einziges Wort zu sagen, und ich werde bis zum Ende aller Tage für Euch dasein."
Ihr Herz begann zu hämmern. „Ich weiß nicht, wie Ihr das meint", flüsterte sie.
„Wir wollten doch schon einmal fliehen und heiraten, Kathryn. Wer oder was sollte uns jetzt davon abhalten?" Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Bedenkt doch nur, wie süß Eu-re Rache an Guy de Marche wäre!"
Hatte sie eben richtig gehört? „Ihr wollt mich heiraten, obwohl ich das Kind eines anderen unter dem Herzen
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