Geliebter Feind
schimmernden Krönchen auf und half ihr dann in ihr Gewand.
Kathryn hatte bei ihrer Abreise von Sedgewick nur ein einziges Kleid mitgenommen, nämlich das aus blauem Samt, jenem Stoff, den Guy ihr geschenkt hatte. Davon hatte sie sich einfach nicht trennen können. Als sie jetzt Elizabeths Begeisterung sah, war sie froh, daß sie es eingepackt hatte.
„Ach, Kathryn!" Elizabeth klatschte in die Hände und seufzte verträumt. „Ist das ein wunderschönes Gewand! Du bist wirklich ein wahrhaftiges Traumbild; niemals hast du liebreizender ausgeschaut!"
Kathryn spürte einen kleinen Stich im Herzen. Sie hatte sich einmal so sehr gewünscht, dieses Gewand für Guy anlegen zu können. Doch er hatte sie noch nie darin gesehen, und nun war es zu spät.
„Liebreizend, sagst du ?" Sie zwang sich zu einem eher trau-rigen Lächeln. „.Unförmig' ist wohl im Moment das passende-re Wort, Elizabeth." Unwillkürlich strich sie sich über den gerundeten Leib.
„Ach, das sieht man doch wirklich nur, wenn man ganz genau hinschaut", erklärte Elizabeth. „Wenn es in dieser kargen Klosterzelle einen Spiegel gäbe, könntest du dich selbst davon überzeugen."
Kathryn schüttelte nur ungläubig den Kopf und ließ sich von ihrer Schwester zur Kapelle geleiten. Innerlich fühlte sie sich wie betäubt. An einem solchen Tag, an dem ihr Herz vor Freude hätte hüpfen sollen, war nur eine große schmerzende Leere in ihr.
Am Kapelleneingang wartete Hugh; sein Lächeln erhellte sein ganzes Gesicht. Er drückte Kathryn die Hand und murmelte irgend etwas, das sie nicht verstand. Elizabeth umarmte sie noch einmal und trat dann zurück. Ihre schönen blauen Augen glitzerten verräterisch.
„Ach Kathryn", flüsterte sie, „dieser Tag ist erst der Anfang.
Dein Leben wird voller Glück sein - das fühle ich in jeder Faser meines Seins."
Halb erstickt und auf bleiernen Beinen ging Kathryn die ersten Schritte, welche sie dem Mann entgegenführen würden, der ihr Gemahl sein sollte und an dessen Seite sie mit ihrem Kind leben würde. Könnte sie doch nur Elizabeths Begeisterung teilen! Dies war schließlich der Tag ihrer Hochzeit, doch sie vermochte ihn nicht als einen Freudentag zu sehen. Sie liebte Roderick doch überhaupt nicht, und er war nicht einmal der Vater ihres Kindes!
Tränen verschleierten ihren Blick. Sie sah alles nur verschwommen - den Priester in der dunklen Robe und den breiten Rücken der elegant in dunkelbraunen Samt gekleideten Gestalt. Kathryn wandte den Kopf ab; sie wollte ihren zukünftigen Ehegatten gar nicht ansehen, doch dieser zog ihren Blick geradezu magisch an. Seine Kopfhaltung war so stolz und arrogant . . . und so vertraut.
Kathryns Mund wurde ganz trocken. Ihre Knie drohten nachzugeben. Ihr schwindelte es, und einen Wimpernschlag lang dachte sie, sie träumte.
Der Mann, der vor dem Altar auf sie wartete, war nicht Roderick. Es war Guy!
16. KAPITEL
Daß Kathryn überhaupt laufen konnte, erschien ihr selbst wie ein Wunder. Ihre Beine zitterten fürchterlich.
Wie immer, so verriet das Gesicht des Earls auch jetzt nichts über seine Gefühle. Sie vermochte seiner Miene nichts zu ent-nehmen, weder Zorn noch Bestürzung, Resignation oder Gleichgültigkeit. Dann jedoch flackerte etwas in seinen Augen auf. Er reichte ihr die Hand entgegen.
Kathryn erinnerte sich später nicht mehr an ihren letzten, schicksalhaften Schritt, der sie an die Seite des Earls gebracht hatte. Sie erinnerte sich auch nicht, ob Guy ihr die Hand entge-gengestreckt hatte oder sie ihm.
Seine und ihre Fingerspitzen berührten einander. Kathryns Herz geriet ins Stolpern. War sie glücklich? Oder war sie entsetzt?
Er schob seine Finger zwischen ihre und zog Kathryn sanft neben sich auf die Knie. Die Kälte des harten Steinfußbodens nahm sie nicht wahr; der Mann an ihrer Seite schien so viel Wär-me und Lebenskraft auszustrahlen, und daraus schöpfte sie die Energie, die so dringend benötigte Kraft. Sie sprach das Ehegelöbnis mit fester Stimme und ohne zu stocken.
Als es vorbei war, legte der Earl ihr die Hand an die Taille und stützte Kathryn beim Aufstehen. Sie schritten den Mittelgang der Kapelle hinunter, und dabei breitete sich eine mächtige, namenlose Empfindung in ihr aus. Dieser Mann, so groß, so stark und so männlich schön, war jetzt ihr Gemahl. Und sie war seine Gemahlin.
Milder Sonnenschein fiel durch die herbstlich kahlen Zweige der Bäume im Klosterhof. Elizabeth war mit Kathryn gegangen, um deren persönliche Dinge
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