Geliebter Freibeuter
Frau.
»Du verstehst nicht, Kate! Du verstehst es nicht …« Eloises Augen flackerten vor Verzweiflung. »Ich weiß nun ganz sicher, dass Flynn nicht Ryans Mörder ist. Ha! Nein, halt, das stimmt nicht ganz. Er hat ihn getötet! Seit zehn Jahren hat er ihn gemordet und hätte es auch weiterhin getan, wenn ich nicht die Wahrheit entdeckt hätte.«
Kates Finger schlossen sich um Eloises Handgelenke. Mit sanfter Gewalt schob sie Eloise von sich und sah ihr fest in die Augen.
»Meine liebe Eloise, ich verstehe kein Wort, denn du redest wirr und durcheinander. Wenn du willst, dass ich dir helfe, dann musst du mir sagen, was im Gefängnis geschehen ist.«
Eloise sah sich suchend im Raum um. Sie entdeckte eine Flasche Rum auf dem Sideboard und schenkte sich einen Becher davon ein. Als der Alkohol brennend durch ihre Kehle rann, begann sie sich langsam zu beruhigen.
»Pfui, wie kann man nur dieses Zeug trinken«, sagte siedann mit einem Anflug von Humor und schüttelte sich angewidert. »Aber manchmal hilft es wirklich. Du hast recht, meine liebe Freundin und Vertraute, meine Worte müssen dich verwirren, aber die Wahrheit ist derart unglaublich, dass ich meine, alles nur zu träumen.«
Nun trank auch Kate einen Schluck Rum und forderte Eloise auf: »Was ist mit Flynn und mit Ryan? Ist er für den Tod deines Jugendfreundes verantwortlich oder nicht?«
»Kate … die Wahrheit ist … der Pirat Dark Flynn, der gefürchtete Freibeuter der Meere und der Mann, den ich zu lieben glaubte, und Ryan Mitchell … sind ein und dieselbe Person.«
Kate zuckte zusammen, dann legte sie eine Hand auf Eloises Stirn.
»Meine Liebe, du scheinst Fieber zu haben …«
Eloise drehte den Kopf zur Seite und fuhr fort: »Ich bin weder krank noch verrückt, liebe Kate, auch wenn das, was ich heute erfahren habe, völlig irrsinnig ist.« Sie atmete tief durch, dann hatte sie sich so weit beruhigt, um Kate schildern zu können, wie sie zuerst Flynns Gesicht abgetastet und dann im Schein der Flamme gesehen hatte. »Darum trug er immer die Maske, denn Flynn, vielmehr Ryan, wusste, dass ich ihn auch nach den vielen Jahren wiedererkennen würde. Selbst der Bart, der ihm während der Haft gewachsen ist, konnte seine Gesichtszüge nicht derart verändern. Kate, verstehst du? Ryan Mitchell ist niemals gestorben! Er hat mich verlassen und ist in die Rolle eines Piraten geschlüpft, während ich mir die Augen ausgeweint und gedacht habe, ich würde in meinem Leben niemals wieder glücklich werden. Er hat mir das Herz gebrochen und es sich dabei gut gehen lassen.«
Kate brauchte einige Minuten, das eben Gehörte zu begreifen.Wenn Eloise nicht verrückt war – und das war sie zweifellos nicht –, dann war es eine ungeheuerliche Entdeckung.
»Aber warum hat er das getan?« Sie sah Eloise fragend an. »Mit welchen Worten hat er sein Verhalten begründet?«
»Ich brauche keine Begründung, denn gleichgültig, wie diese lauten würde …«
»Du hast ihm also keine Möglichkeit gegeben, sich zu erklären?« Kates Augenbrauen hoben sich. »Ich verstehe deine Aufregung. Wahrscheinlich bist du voller Panik davongelaufen, aber wir müssen die Sache klären. Trotz allem glaube ich nicht, dass du ernsthaft möchtest, dass man Flynn oder Ryan etwas antut, oder?« Kate wartete eine Antwort nicht ab und ging zur Tür. Die Hand am Knauf, wandte sie sich noch einmal zu Eloise um. »Bitte, Liebes, versuch, ein paar Stunden zu schlafen. Ich bin gleich wieder zurück.«
Eloise nickte. In ihren Augen lag eine so große Resignation, wie Kate sie nie zuvor gesehen hatte. Sie fand den einbeinigen Robin in einer Ecke der fast leeren Gaststube. Lediglich ein völlig betrunkener Seemann schlief auf einer Bank seinen Rausch aus.
»Robin, du musst Cubert benachrichtigen«, sagte Kate bestimmt. »Er muss sofort kommen, es geht um das Leben des Captains.«
Der Einbeinige stellte keine Fragen. Mühsam erhob er sich und murmelte: »Werde meine Männer informieren. Cubert muss aber aufpassen. Es ist niemandem gedient, wenn man auch ihn in Ketten legt.«
Für einen Moment berührte Kates Hand seinen Ärmel.
»Du bist ein wahrer Freund, Robin. Der Captain kann stolz darauf sein, Männer wie dich zu haben.«
23. Kapitel
Dass Cubert riskiert hatte, trotz der Gefahr für sein Leben, falls man ihn erkennen sollte, sich nach Kingston zu wagen, überzeugte Eloise davon, den Freund von Dark Flynn anzuhören. Sie war den Tag nach ihrem verhängnisvollen Besuch im Gefängnis
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