Geliebter Freibeuter
im
Crazy Sailor
geblieben. Längst war es ihr gleichgültig, was die Leute auf Morgans Plantage über ihr Ausbleiben dachten oder was David Morgan sagen oder tun würde, wenn er merkte, dass sie ihn verlassen hatte. Vor wenigen Stunden noch hatte Eloise geglaubt, zusammen mit Flynns Männern seine Freilassung zu bewirken und dann für den Rest ihres Lebens an seiner Seite zu bleiben. Doch jetzt hatte sich alles verändert, und Eloise hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Sie war nicht fähig, an den nächsten Tag zu denken, zu tief war ihr Kummer, zu stark ihre Enttäuschung, von Dark Flynn derart hinters Licht geführt worden zu sein. Als Kate gegen Abend mit Cubert, der sich in einen Kapuzenmantel gehüllt hatte, den Raum betrat, sprang sie auf und rief entrüstet: »Gleichgültig, was du mir zu sagen hast, Cubert, ich möchte es nicht hören.« Dann aber erkannte sie die große Besorgnis in Cuberts Blick, und auf Kates Bitte hin setzte sie sich wieder und hörte zu, was Cubert erzählte.
»Als Erstes möchte ich Euch versichern, Lady Eloise, dass mir der richtige Name von Flynn nie bekannt war. Ja, ich weiß, dass er nicht der Mann ist, der früher unter dem Namen Dark Flynn grausame Taten begangen hat, aber er erzählte mir nie,was ihn dazu bewogen hat, in dessen Rolle zu schlüpfen. Um alles zu verstehen, muss ich ein wenig weiter ausholen. Es ist jetzt rund zwölf Jahre her, als ich völlig mittellos in den Gassen von Kingston hauste und kaum ein Tag verging, an dem ich nicht großen Hunger litt. Zwei Jahre zuvor war ich voller Hoffnung auf ein neues und besseres Leben aus England nach Jamaika gekommen. Ich war kräftig und gewillt zu arbeiten und hoffte auf ein Stück Land in der Karibik, aber alles, was ich begann, war nicht von Glück gesegnet. Aber das ist nicht so wichtig, sondern wichtig ist vielmehr die Tatsache, dass mich eines Tages, als ich meine letzten Pennys für Rum ausgegeben hatte und völlig betrunken am Straßenrand lag, ein Mann auflas und mich auf sein Schiff bringen ließ. Ich kam erst zur Besinnung, als sich das Schiff bereits auf hoher See befand. Dieser Mann war der Piratenkapitän Dark Flynn. Er brauchte kräftige Männer wie mich an Bord, und ich hatte nichts zu verlieren, so schloss ich mich seiner Mannschaft an. Doch Flynn war ein grausamer Mensch. Es genügte ihm nicht, Schiffe zu kapern und auszurauben. Nein, er empfand eine animalische Freude daran, zu quälen und zu töten. Wenn ein Handelsschiff in seine Hände fiel, dann ließ er nie auch nur einen Mann am Leben. Führten die Schiffe Sklaven aus Afrika mit sich, so behandelte Flynn diese keinen Deut besser als die Sklavenhändler. Er verkaufte die armen Menschen selbst und strich den Profit ein. Die Mannschaft wurde von Flynn ebenso schlecht behandelt, aber jeder von uns wusste, wenn wir davonlaufen oder uns gar gegen Flynn auflehnen, dann wäre das unser sicherer Tod. Trotzdem war ich fest entschlossen, beim nächsten Mal, wenn wir vor Anker gehen, Flynn zu verlassen. Jedes Leben war besser als das unter der Knute dieses grausamen Freibeuters.
Es war im Herbst, als Flynn wieder einmal ein englischesHandelsschiff angriff und enterte. An Bord waren ungefähr fünf Dutzend Schwarze, der Segler war auf dem Weg in die nordamerikanischen Kolonien. In einem raschen und wenig ehrenvollen Kampf wurde die Besatzung niedergemetzelt. Als Flynn dachte, niemand wäre mehr am Leben, hörten wir hinter einer Taurolle ein Geräusch auf dem Achterdeck. Dort hatte sich ein junger Mann versteckt und das Morden mit angesehen. Als der Pirat mit gezogenem Säbel auf ihn losging, versuchte der Junge zu flüchten. Flynns Hieb traf ihn am Rücken – noch heute ist die Narbe deutlich zu sehen. Der Junge ging blutend zu Boden, und Flynn dachte, er wäre tot. Als die Mannschaft die Ladung auf das Piratenschiff verlud, bemerkte ich, dass der Junge noch lebte. Ich hatte Mitleid mit ihm, und dachte, er würde unweigerlich sterben, ließe ich ihn zurück. Im allgemeinen Trubel bemerkte niemand, wie ich ihn an Bord schleppte und in einer Ecke des Laderaums, wo selten jemand hinkam, versteckte. Der Smutje war mein Freund, ebenso fand ich Unterstützung bei einem anderen Kameraden, der Flynn ebenso wie ich hasste. Gemeinsam gelang es uns, das Leben des Jungen zu retten und ihn unentdeckt bis nach Mantana Island zu schmuggeln. Die Insel war damals schon der Unterschlupf Flynns, aber es gab weder ein anständiges Haus noch saubere Hütten oder gar
Weitere Kostenlose Bücher