Geliebter Freibeuter
Zuckerrohrfelder erschließen, was ich – nach diesem Verlust – jetzt wohl auf unbestimmte Zeit verschieben muss. Das bedeutet neben weniger Export natürlich auch weniger Steuern und Abgaben, die schlussendlich der Krone zugeflossen wären.«
William Trelawny seufzte ungehalten. Er mochte zwar unter der Hitze leiden und gutem Essen und Trinken mehr zugeneigt sein als seiner Regierungsarbeit, aber er verfügte auch über eine gute Menschenkenntnis.
»In Eurem Interesse hoffe ich nicht, dass Eure Worte als eine Art Erpressungsversuch zu verstehen sind.«
Die Augen des Gouverneurs verengten sich zu Schlitzen, als er Morgan fixierte. Dieser wusste, wann er verloren hatte, daher erhob er sich rasch und verneigte sich.
»Nichts liegt mir ferner, Sir«, beeilte er sich zu versichern. »Einzig und allein in der Sorge um meine Braut ist es begründet, wenn Ihr den Eindruck gewonnen haben mögt, meine Ausdrucksweise habe es Euch gegenüber am nötigen Respekt mangeln lassen.«
Mit einer Handbewegung gab Sir Trelawny zu verstehen, dass die Unterredung beendet war. Zähneknirschend verließ Morgan den Gouverneurspalast und trat in die sengende Mittagshitze hinaus, die Hände zu Fäusten geballt. Wer war dieser fette, aufgeblasene Trelawny schon? Ein unfähiger und fauler Gouverneur, der sein Amt nur seiner persönlichen Bekanntschaft mit König George zu verdanken hatte. Er, Morgan, war der Mann, durch den Jamaika wohlhabend geworden war und immer reicher wurde. Zweifelsohne hatte Trelawny recht – sowohl die Zahlung des Lösegelds als auch der Verlust der afrikanischen Sklaven würden Morgan nicht in finanzielle Bedrängnis bringen, dennoch war er nicht gewillt, so viel Geld zu bezahlen. Morgan brauchte jeden Penny für einen anderen, ehrgeizigen Plan, einen Plan, an dessen Umsetzung er gerade jetzt intensiver als zuvor würde arbeiten müssen. Es bestand kein Zweifel daran, er war der Mann, der die Geschicke der Insel besser leiten konnte. Es war an der Zeit, Trelawny zu stürzen und selbst nach dem Gouverneurstitel zu greifen. Morgan lächelte verschlagen. Es wäre seinem Plan nützlich, Dark Flynn endlich zur Strecke zu bringen, denn nicht nur er, sondern alle einflussreichen Großgrundbesitzer und Unternehmer Jamaikas waren von den Machenschaften des Freibeuters betroffen. Wenn er, Morgan, ihnen den Kopf des Verbrechers lieferte, würden die Herren sein Ansinnen, Trelawnys Platz einzunehmen, sicherlich tatkräftig unterstützen.
Im Hafenviertel kam er wie zufällig an einer heruntergekommen, schmuddligen Taverne vorbei. Für einen Moment zögerte er, dann stieß er die niedrige Tür auf und trat ein. Heute konnte er ohnehin nichts mehr unternehmen, warum sollte er sich da nicht ein wenig Abwechslung und Vergnügengönnen? Schon kam eine dralle, dunkelhäutige Schönheit aus dem hinteren Teil der düsteren Spelunke auf ihn zugeeilt.
»Sir David, Ihr habt Euch lange nicht mehr blicken lassen.« Mit verführerischem Augenaufschlag sah sie ihn an und zog wie unbeabsichtigt ihr Mieder aufreizend ein wenig tiefer. Morgans Blick verfing sich in dem Tal zwischen ihren großen und festen, schwarzen Brüsten.
»Geschäfte, meine Liebe, Geschäfte …«, murmelte er.
Sie lachte verführerisch, und ihre Hand strich für einen Augenblick über seinen Hosenlatz.
»Dann kommt. Ich zeige Euch, dass es im Leben noch andere Dinge als Geschäfte gibt.«
Morgan folgte der Prostituierten nach oben, und für die nächsten zwei Stunden dachte er weder an Trelawny noch an Dark Flynn und noch viel weniger an seine Verlobte Eloise Gilbert.
Unruhig ging Eloise in ihrem Zimmer auf und ab. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie vor ihrer Kinderfrau ein Geheimnis und teilte mit Kate nicht ihre Gedanken. Kate ihrerseits bemerkte nichts von Eloise Gefühlsverwirrung, denn sie schien selbst verliebt zu sein. Eloise lächelte, wenn sie Kates leuchtendes Gesicht und ihre strahlenden Augen bemerkte, sobald Cubert den Raum betrat. Wer hätte das von der sonst eher ruhigen und zurückhaltenden Kate gedacht? Auch Cubert war stets etwas befangen, wenn er mit Kate zusammentraf. Wären die Umstände andere, so hätte sich Eloise über Kates Glück gefreut und ihr alles erdenklich Gute gewünscht. So jedoch fühlte sie sich in einem Chaos gefangen, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien.
»Wenn das meine Eltern wüssten!«
Stöhnend ließ sich Eloise auf einen Stuhl sinken. Ihre Mutter würde ihn Ohnmacht fallen, wenn sie wüsste, dass
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