Geliebter Freibeuter
Hoffentlich nichts Schlimmes, da du offenbar sehr aufgewühlt bist.«
»Ich … es ist nur …« Eloise schluckte und suchte nach den richtigen Worten. Auf keinen Fall würde sie auch nur einen Ton von dem verlauten lassen, was zwischen ihr und Dark Flynn vorgefallen war. »Ich traf heute Morgen den Captain«, presste sie schließlich hervor. »Morgen werden wir die Insel verlassen, Sir David wird das Lösegeld bezahlen.«
»Ach …« Ein Schatten fiel über Kates Gesicht. Sie war über diese Nachricht alles andere als erfreut. »Nun denn … das war ja abzusehen.« Kate seufzte. »Dann werde ich mich mal ans Packen machen.«
»Kate, es ist hier nicht alles so wunderbar, wie es vielleicht scheinen mag.« Eloise hatte ihre Gefühle wieder unter Kontrolle, aber eine Spur Traurigkeit lag doch in ihrer Stimme. »Ich weiß, du würdest am liebsten auf Mantana Island bleiben, aber ich muss fort. Je eher, desto besser, und ich hoffe, Captain Dark Flynn in meinem ganzen Leben niemals wiederzusehen.«
Glücklicherweise ging Kate in ihr Zimmer, um mit dem Packen zu beginnen, denn Eloises Beherrschung begann in sich zusammenzubrechen. Flynn hatte ihr nur etwas vorgespielt. Seine zärtlichen Küsse, seine Worte von Liebe … alles nur Lüge und grausames Spiel! Er hatte ausprobieren wollen, wie weit er gehen konnte, und sie war bereit gewesen, ihr ganzes Leben für diesen Man zu ändern. Wie hatte sie nur so blind und so dumm sein können! Seit dem ersten Tag auf der Insel hatte sie gewusst, dass Betty seine Geliebte war, undjetzt erwartete sie sein Kind. Die drei würden bald eine kleine glückliche Familie sein. Aufsteigende Wut verdrängte Eloises Verzweiflung. Wahrscheinlich steckten Flynn und Betty in diesem Moment die Köpfe zusammen und lachten über ihre Naivität. Sie hatte sich wie eine gewöhnliche Magd benommen und sich dem Erstbesten an den Hals geworfen. Eine Woge der Scham erfasste Eloise. Oh, wie sehr hatte sie sich blamiert! Sie wünschte sich, Dark Flynn niemals wieder unter die Augen treten zu müssen. Sollten sie ihn doch fangen und verurteilen! Dann würde sie persönlich ganz vorn am Galgen stehen und zusehen, wenn man ihn aufknüpfte.
Während Eloise sich solch düsteren Gedanken hingab, um ihre Enttäuschung und ihren Schmerz zu verdrängen, liefen ihr Tränen über die Wangen. Die tiefe Verzweiflung, die ihr Herz in Stücke zu reißen drohte, ließ sich auch nicht mit der Vorstellung von Vergeltung vertreiben. Natürlich würde sie ihn nicht verraten, denn Flynn trug ja keine Schuld daran, dass sie sich etwas eingebildet hatte, das gar nicht vorhanden war. Sicher, der Pirat hatte mit ihr getändelt … nun ja … seine Zärtlichkeiten schienen mehr als eine Tändelei gewesen zu sein, aber sie hatte nichts getan, um dies zu unterbinden. Wie ein junges, dummes Mädchen hatte sie mehr in sein Verhalten hineingelegt. Betty war jung und schön – und sie gehörte in die Welt, in der auch Flynn lebte. Einer Welt, zu der sie, Eloise, niemals gehören würde.
»Jetzt hör endlich auf zu weinen! Das ist ja nicht zum Aushalten.« Ungewöhnlich heftig fuhr Eloise ihre Vertraute an.
»Es tut mir leid … Ich kann auch nichts dafür …« Kate schniefte und wischte sich über die feuchten Augen. »Ich weiß, ich verhalte mich dumm und unvernünftig wie ein jungesMädchen, aber Cubert …« Erneut rannen Tränen über Kates Wangen, und Eloise presste die Lippen fest aufeinander. Auch in ihrem Hals saß ein dicker Kloß, und sie hätte ebenfalls gerne geweint, aber sie gab ihren Gefühlen nicht nach. Niemand, auch nicht Kate, sollte bemerken, wie sehr der Abschied von Mantana Island und von Dark Flynn ihr das Herz zerriss.
Die beiden Frauen standen an der Reling der
Liberty
und schauten auf den immer kleiner werdenden Streifen Land am Horizont. Weder der Captain noch Cubert begleiteten das Schiff auf seiner Fahrt zu der Lösegeldübergabe, da dies für beide ein zu großes Risiko gewesen wäre. Stattdessen hatte er die Verantwortung einem gewissen Robert anvertraut, der dem Captain seit Jahren diente. Als Eloise an den Abschied von Cubert dachte, trat ein wehmütiges Lächeln auf ihre Lippen. Der rauhbeinige Seemann hatte lange Kates Hand gehalten. Obwohl er es zu verbergen versuchte, hatte Eloise den feuchten Schimmer in seinen Augen gesehen. Flynn hingegen … Beim Gedanken an den Captain krallte Eloise ihre Nägel in das Holz der Reling. Am frühen Morgen hatte er es gewagt, sie in ihrem Zimmer
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