Geliebter Fremder
er an dem leichten Nicken, mit dem der Mann ihn bedachte.
»Eine Frau wie Isabel kann man nicht einsperren, Grayson. Ihre Freiheit ist ihr wichtiger als alles andere. Ich bin sicher, die Erkenntnis, dass sie Sie geheiratet hat, um frei zu sein, und jetzt in der Falle sitzt, wird Sie sehr stören.« Er zuckte die Achseln. »Abgesehen davon werden Sie irgendwann genug von ihr haben, oder sie von Ihnen. Das Verlangen, auf das sie so primitiv Anspruch erhoben haben, wird schwinden.«
»Mein Anspruch«, erwiderte Gerard trocken, »ist nicht nur primitiv, sondern auch gesetzlich abgesegnet und bindend.«
Hargreaves schüttelte den Kopf. »Sie wollten immer schon Frauen, die jemand anderem gehörten.«
»In diesem Fall gehört die Frau, die ich will, mir.«
»Ach ja? Wirklich? Seltsam, dass Sie dies erst nach fünf Jahren ehelicher Vernachlässigung bemerken. In Wahrheit sieht es so aus, als könnten sie einander kaum ertragen.«
Gerard verzog seinen Mund zu einem trägen Lächeln. »Wir tun weitaus mehr, als einander nur zu ertragen.«
Der Earl wurde rot. »Ich habe nicht die Zeit, Ihnen etwas über Frauen beizubringen, Grayson, aber nur so viel: Orgasmen reichen nicht aus, um eine Frau zufriedenzustellen. Isabel wird keine Liebe zu Ihnen entwickeln, sie ist dazu gar nicht in der Lage, und selbst wenn sie ernstere Gefühle empfinden könnte, würde ein sprunghafter Mensch wie Sie niemals in deren Genuss kommen. Wissen Sie, Sie sind Pelham sehr ähnlich. Auch er erkannte nicht, wie glücklich er sich schätzen konnte. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft mir Isabel irgendeine Anekdote von Ihren Eroberungen erzählte und mit den Worten schloss: ›Genau wie Pelham.‹«
Ein Schlag in den Unterleib hätte Gray nicht härter treffen können. Äußerlich unbeeindruckt krümmte er sich innerlich. Markham hatte genau das Gleiche gesagt. Es konnte ihm nichts Schlimmeres nachgesagt werden, als dass er seine Frau an ihren ersten Ehemann erinnerte. Wenn er nicht bewies, dass er besser als Pelham war, würde er niemals Isabels Zuneigung gewinnen.
Andererseits hatte sie ihm treu jede Woche geschrieben und die schwache Verbindung zwischen ihnen aufrechterhalten. Das konnte doch Anlass zur Hoffnung geben, oder?
Verdammt! Warum hatte er nicht auf ihre Briefe reagiert?
» Einerseits behaupten Sie, sie wäre zu tieferen Gefühlen gar nicht fähig, andererseits glauben Sie, sie könnte zu Ihnenzurückkehren. Dabei hat sie doch noch nie eine alte Romanze wieder aufleben lassen!«
» Aber sie und ich sind Freunde. Ich weiß genau, wie sie ihren Tee trinkt, was ihre Lieblingsbücher sind …« Hargreaves richtete sich auf. »Sie war glücklich mit mir, bevor Sie zurückkehrten –«
»Nein, das war sie nicht. Das wissen Sie genauso gut wie ich.« Isabel hätte sich von ihm nicht verführen lassen, wenn sie Hargreaves wirklich gewollt hätte. Sie war nicht launenhaft. Aber sie war eine Frau, die Wunden davongetragen hatte, und Gerard war entschlossen, diese Wunden zu heilen.
Der Earl spannte den Kiefer an. »Ich glaube, wir haben einander verstanden. Es gibt nichts mehr zu sagen. Sie kennen meinen Standpunkt, ich kenne Ihren.«
Gerard neigte bestätigend den Kopf. »Tatsächlich? Seien Sie sich gewiss, Hargreaves: Ich gerate leicht in Wut und werde Sie kein zweites Mal warnen. Beim nächsten Mal, wenn ich das Bedürfnis verspüre, Sie daran zu erinnern, dass Isabel eine verheiratete Frau ist, werde ich dem mit der Spitze meiner Klinge Nachdruck verleihen.«
»Gentlemen, kann ich Sie mit Geschichten aus Indien unterhalten?«, unterbrach sie Lord Hammond und blickte nervös zwischen ihnen hin und her. »Ich muss sagen, es ist ein faszinierendes Land.«
»Danke, Hammond«, erwiderte Gerard. »Vielleicht heute Abend bei einem Glas Port.«
Er zog sich zurück und ging quer durch den Raum zu Spencer, der ihm mit hochgezogenen Augenbrauen entgegensah.
»Nur du, Gray, würdest dermaßen dreist sein.«
»Ich habe gelernt, dass Zeit kostbar ist. Es hat keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden, wenn Direktheit es auch tut.«
Spencer lachte. »Ich muss zugeben, ich hatte mich schon mit einer Woche voller Ödnis abgefunden. Aber jetzt erkenne ich zu meiner Freude, dass es wohl keinen einzigen langweiligen Augenblick geben wird.«
»Das ist gewiss. Ich habe vor, dich auf Trab zu halten.«
»Ach ja?«
Spencer grinste breit und sah ihn mit funkelnden Augen an. Gerard fiel wieder einmal auf, wie viel Einfluss er auf seinen
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