Geliebter Fremder
»Bitte sag mir ehrlich, ob ich dich verletzt habe.«
Sein Lächeln war so aufrichtig, dass es sie ungeheuer tröstete. »In meinem Stolz, ja. Aber ehrlich gesagt näherte sich unsere Beziehung ohnehin dem Ende, oder nicht? Ich habe es nur nicht gemerkt, wie so vieles seit Lady Hargreaves’ Tod.«
Ihr Herz floss über vor Mitgefühl. Sie wusste, wie es sich anfühlte, einen geliebten Menschen zu verlieren. Doch für John musste es noch schlimmer gewesen sein, da seine Liebe erwidert worden war.
»Die Zeit mit dir hat mir viel bedeutet, John. Das weißt du, obwohl unsere Liaison so schrecklich abrupt endete, oder?«
Hargreaves lehnte sich zurück, sah sie ernst an und sagte: »Ja, das weiß ich, Isabel, und deine Gefühle für mich erleichterten es mir sehr, den Zweck unserer Liaison zu erkennen und ihr einen würdigen Abschluss zu geben. Du und ich haben beieinander Trost gesucht, da wir beide Wunden aus unserer Ehe davongetragen hatten – ich durch den Tod meiner geliebten Frau und du durch den Tod deines nicht so geliebten Mannes. Keine Erwartungen, keine Einschränkungen, keine Ansprüche … nur Gesellschaft. Wie könnte ich dir je vorwerfen, weitergezogen zu sein, als jemand in dein Leben trat, mit dem es ernster war?«
»Danke«, sagte sie mit Nachdruck und betrachtete mit neuer Zuneigung sein markantes Gesicht. »Für alles.«
»Ehrlich gesagt beneide ich dich. Als Grayson zu mir kam –«
»Was?« Sie blinzelte ihn überrascht an. »Was soll das heißen?«
John lachte. »Also hat er es dir nicht erzählt? Mein Respekt ihm gegenüber wird immer größer.«
»Was hat er gesagt?«, fragte sie, von Neugier überwältigt.
»Das ist unwichtig. Was aber meinen Neid weckte, war die Leidenschaft, mit der er es sagte. Das will ich auch, und ich glaube, ich bin auch endlich bereit dafür. Und das verdanke ich in nicht unbeträchtlichem Maße dir.«
Sie wünschte, sie hätte seine Hand nehmen und drücken können, die lässig auf dem Tisch lag, aber das ging nicht. Stattdessen sagte sie drängend: »Versprich mir, dass wir immer Freunde sein werden.«
»Isabel.« Seine Stimme verriet, dass er lächelte, doch hatte sie einen stählernen Unterton. »Nichts auf der Welt könnte mich davon abbringen, dein Freund zu sein.«
»Ehrlich?« Sie zog die Augenbrauen in die Höhe. »Und wenn ich die Kupplerin spielte? Ich hätte da eine Freundin …«
John tat so, als liefe ihm ein Schauer über den Rücken. »Nun, das könnte mich vielleicht doch abbringen.«
Kaum waren Gerard und Spencer wieder zurück bei den Hammonds, gingen sie schnurstracks auf ihre Zimmer, um den Schweiß, den Schmutz und die Gerüche des Tages abzuwaschen.
Gerard sehnte sich danach, zu Isabel zu gehen, rang den heftigen Drang jedoch nieder. Er musste mit ihr reden und ihr erzählen, was er erkannt hatte. Er wollte Trost bei ihr finden und ihre Ängste mit dem Wissen vertreiben, dass sie für ihn über allen anderen Frauen stand. Vor allem ahnte er, dass dies immer so bleiben würde, und das wollte er ihr mitteilen.
Andererseits wollte er sie auch in den Arm nehmen, und dazu musste er sauber sein.
Also ließ er sich in ein heißes Bad sinken, lehnte seinen Kopf an den Rand und entließ Edward.
Als sich kurz darauf die Tür erneut öffnete, lächelte er, hielt die Augen aber geschlossen. »Guten Abend, Rotfuchs. Hast du mich vermisst?«
Ein kehliger Laut der Zustimmung ließ ihn noch mehr lächeln.
Als Isabel näher trat, geriet sein Blut vor Vorfreude in Wallung. Träge von der körperlichen Anstrengung und dem warmen Wasser, kostete es ihn wertvolle Zeit, bis er den fremden Duft merkte, als sie sich über ihn beugte, und dann hörte, wie die Tür wieder aufging …
Was zum Teufel –
… kurz bevor eine ebenso fremde Hand ins Wasser griff und seinen Schwanz umfasste.
Überrascht schrak er auf, sodass Wasser über die Wanne schwappte. Als er die Augen aufriss, schaute er in Barbaras erschrockenes Gesicht. Zwar hatte er auf dem Ball der Hammonds ihre einladenden Blicke bemerkt, sie aber für klug genug gehalten, sich einen Reim auf seine finstere Miene zu machen. Offenbar hatte er sich geirrt.
Er packte ihre Hand gerade in dem Moment, als sie die Augen hob und diese sich mit Entsetzen und Unterwürfigkeit füllten.
»Wenn du deine Hand behalten willst«, ertönte Pels Stimme von der Tür, »rate ich dir, sie sofort aus der Badewanne meines Mannes zu entfernen.«
Ihre Stimme klang so frostig, dass es ihn trotz des warmen Wassers, in
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