Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
erst von dem – von meiner Vergangenheit erzählt, und da wollte ich nicht …«
»Keine Diskussionen oder Auseinandersetzungen wegen so etwas Unwichtigem wie einem Urlaubsziel?«
»Mhm. Ich hatte dir doch eh schon so viel zugemutet.«
Ich pruste in ein Taschentuch.
»… und dann hat’s mich halt doch genervt, und darum war ich wohl auch manchmal ganz schön schlecht drauf. So bin ich eben manchmal«, beendet Claus gerade einen Satz, dessen Anfang ich wegen des Schnäuzens nicht gehört habe.
Alles ganz einfach, alles ganz normale Paarprobleme. Oder doch nicht?
Ist es nicht eher der lange Schatten, den Claus’ Vergangenheit über uns wirft? Immer und überall, und nicht abzuschütteln? Ist dieser Schatten nicht der Grund für meine Angst im Auto; den Horror film, der in meinem Kopf ablief, nur weil der Kerl mal schlechte Laune hatte; meinen Magenkrampf, weil er unbedacht und arglos ein Wort wie »umbringen« benutzte; meine erschreckende Wut, weil mich all die Gedanken und Empfindungen überfordern; sein Zögern, offen mit mir über den Urlaub zu reden; meinen neuen Blick auf alles, was er sagt und tut? Kein Wunder, dass wir uns dauernd streiten.
Ich lege meinen Arm um ihn, reibe meinen Kopf an seiner Schulter und denke: Ich weiß nicht, ob ich das schaffen kann. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich weiß nicht, ob meine Kraft dafür reicht. Aber ich spreche es nicht laut aus. Ich habe Angst, den Teufel an die Wand zu malen.
Silvester. Wir haben einen Tisch in einem der wenigen Restaurants auf der Insel reserviert, verdrücken eine riesige Hiddensee-Silvester-Fischplatte für zwei und trinken jede Menge Weißwein. Um Mitternacht spazieren wir Arm in Arm und leicht beschwipst an einem dunklen Strand entlang. In der Ferne sehen wir Feuerwerk, vielleicht ist das Rügen, vielleicht das Festland. Claus wüsste es natürlich, aber ich frage nicht, aus Angst, die Harmonie zu zerstören, wenn er eine spöttische Bemerkung über meinen mangelnden Orientierungssinn macht. Das Feuerwerk – nicht mehr als kleine, bunte Lichtpunkte am Horizont – zeigt mir, wie weit weg wir von anderen Menschen sind, wie einsam es hier ist. Claus hat ähnliche Gedanken.
»Hast du jetzt auch Angst?«, fragt er mich leise. Ich höre ihn kaum durch das Meeresrauschen.
»Nein, nein, überhaupt nicht«, beeile ich mich zu antworten. Und es stimmt. Die Angst ist wie weggeblasen.
»Schon komisch. Mitten auf der Autobahn hattest du Angst, und jetzt hier, am einsamen Strand im Dunkeln hast du keine …«
»So ist das halt mit Ängsten. Sie kommen in den seltsamsten Momenten und folgen keiner Logik.«
»Ja, so ist das wohl.«
Claus holt einen Piccolo Prosecco aus seiner Jackentasche. Aus den Innentaschen zaubert er zwei Sektgläser aus dem Ferienhäuschen, eingewickelt in Servietten. Echte Gläser, wie damals an der Isar. Die Erinnerung daran bringt mich zum Lächeln.
Ich habe Sterndlwerfer dabei – so heißen bei uns in Bayern Wunderkerzen. Der Wind macht es mir nicht leicht, sie anzuzünden, doch Claus gibt mir mit seinem Körper Schutz.
Ich sehe den Sternchen zu, die vor mir auf den Sand fallen, nippe an meinem Prosecco, kuschle mich an Claus und fühle mich geborgen.
»Ich wünsche dir ein wunderbares neues Jahr«, sagt Claus und gibt mir einen Kuss.
»Ich dir auch.«
In diesem Moment bin ich sicher, dass dieser Wunsch wahr werden kann.
Die Trennung
Wie haben Claus und Elke gelebt? Ich weiß nur wenig, Claus redet nicht sehr viel darüber. Eigentlich ist das völlig normal – wer erzählt schon dauernd von vergangenen Beziehungen? Und welcher neue Partner möchte davon hören? Was vor mir war, interessiert mich nicht, das war meine Einstellung, zumindest bis jetzt.
In diesem Fall ist es bei mir ein wenig anders: Ich würde gern verstehen, was passiert ist, wie es passieren konnte. Nein, das ist falsch ausgedrückt: Ich muss es wissen und versuchen, zu verstehen, nur dann wird es mir möglich sein, mit dem Grübeln aufzuhören und Claus nicht dauernd durch diese unsichtbare Brille anzustarren, die ich neuerdings auf der Nase trage, ohne sie abnehmen zu können. So ähnlich wie eine rosarote Brille, die die Welt schöner, heller, bunter und lustiger wirken lässt, als sie ist. Nur dass meine Brille genau das Gegenteil bewirkt: Es ist die Mörder-Brille, und sie verändert und verdüstert meinen Blick auf Claus.
Und dann entdecke ich am Flughafen kurz vor dem Abflug nach Hamburg zu einem Interview mit einem
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