Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
Vom Netzwerk:
Unternehmensberatern üblich, wurde er häufig zu Kunden in andere Städte geschickt, war also meist von Montag bis Freitag nicht in München. Die Arbeits zeiten in dieser Branche sind extrem, eine Sechzig- oder sogar Siebzig-Stunden-Woche gilt als normal, vor allem bei den Global Playern, den international agierenden Großunternehmen. Wer wie Claus in einem solchen angesehenen Unternehmen aufsteigen will, weiß schon bei der Bewerbung, dass es für Privatleben und Freizeit wenig Platz geben wird.
    Die gemeinsame Zeit von Claus und Elke war also knapp, die Gespräche wurden immer kürzer, ein echter Austausch zwischen den beiden fand kaum noch statt. Sport und natürlich der Job standen für Claus im Mittelpunkt.
    Genau wie für Thomas gehörte das für ihn einfach dazu: Als Berufseinsteiger muss man in den ersten Jahren eben ranklotzen, wenn man auf der Karriereleiter nach oben will. Und das wollte er genauso wie vordere Plätze bei Triathlon-Wettbewerben. Selbstverständlich wünschte er sich auch Kinder mit Elke – Nachwuchs gehört in seiner Vorstellung zu einem erfüllten Leben –, aber er wollte sie irgendwann später, bitte nicht ausgerechnet jetzt, in diesen ersten, harten Aufsteigerjahren im Job.
    Claus hatte natürlich einen Zeitplan. Ich würde mich nicht wundern, wenn er ihn sogar irgendwo schriftlich als Excel-Tabelle abgelegt hätte: zwei oder drei Jahre in seinem Unternehmen schuften und sich eine gute Position erarbeiten; dann ein oder eineinhalb Jahre aussteigen für den Ph. D., das ist der angloamerikanische Doktorgrad. Dieser Titel hätte ihm bei dem amerikanischen Unternehmen, bei dem er in München arbeitete, den Aufstieg nach ganz oben, in den Vorstand einer Firma, erleichtert. Parallel zum Ph. D. dann auch noch Training für den Ironman, so heißt der berühmte Triathlon-Langstreckenwettbewerb auf Hawaii, das Traumziel aller Triathleten.
    Als Dr. Ironman hätte er sich dann um einen Job beworben, der ihm nach einer gewissen Bewährungsfrist mehr Zeit für Frau und Familie gelassen hätte. Und genau dann wäre aus seiner Sicht der perfekte Zeitpunkt für Kinder gewesen.
    Ein ehrgeiziger Plan, sehr ehrgeizig sogar, das wusste Claus, aber er traute sich zu, das hinzubekommen. Er hatte das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Sich, seinen Körper, seine Karriereplanung, sein Leben, alles. Kontrolle war für ihn das, was zählte. Doch er hatte keine Kontrolle über Elke. Und die Liebe.
    »Vielleicht, wenn wir damals schon früher gesprochen hätten …«, hatte mein Ex Thomas bei einem Treffen Jahre nach der Trennung einmal zu mir gesagt, ohne diesen Satz zu beenden. Aber das war auch nicht nötig – ich wusste auch so, was er hatte sagen wollen: »… vielleicht wäre dann alles anders gekommen, vielleicht wären wir dann immer noch ein Paar.«
    Claus sagte vor Kurzem so etwas Ähnliches zu mir, als er ausnahmsweise mit mir einen Samstagvormittag im Bett verbrachte – natürlich nur, weil es zu kalt und zu regnerisch für Lauf- oder Radtraining war: »Vielleicht muss man öfter mal am Wochenende mit seiner Freundin im Bett bleiben, anstatt früh aufzustehen und zum Sport ab zuhauen. Vielleicht hätte man das tun müssen …« Eigentlich sagte er das nicht zu mir, sondern zu sich selbst.

Die Mutter
    Ein Besuch bei Claus’ Mutter steht an. Wir sind auf dem Weg zu ihr, fahren durch ein tief verschneites Winterwunderland. Sie lebt allein in einer kleinen Stadt im Allgäu, etwa achtzig Kilometer von dem Ort entfernt, wo ich aufgewachsen bin. Claus möchte, dass ich sie kennenlerne, solange wir beide noch Weihnachtsurlaub haben; vor allem aber möchte sie mich kennenlernen. Außer dem ist Claus mit mir am ersten Weihnachtsfeiertag Rich tung Hiddensee abgedüst – er hat ein schlechtes Gewissen, weil er seine Mutter ausgerechnet über die Feiertage allein gelassen hat. Wobei – wirklich allein war sie wohl nicht; sie hat die Tage mit einer ihrer Freundinnen verbracht. Aber ich kann Claus’ Gewissensbisse trotzdem verstehen. Unter normalen Umständen hätte ich mich wohl auch dar über gefreut, dass er mich schon jetzt, nach nur fünf Monaten, seiner Mutter vorstellen will. »Ein Zeichen, dass es ihm ernst ist«, sagt meine Freundin Hannah dazu.
    Aber die Umstände sind eben nicht normal, darum fühlt es sich für mich an, als wäre es zu früh. Ich stimme trotzdem zu, möchte niemanden verletzen oder den Eindruck erwecken, mir wäre es nicht ernst.
    Das erste Treffen mit den Eltern oder einem

Weitere Kostenlose Bücher