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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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empfand er die Enge der Zellen, in denen man als U-Häftling dreiundzwanzig Stunden am Tag zusammen mit einem zweiten Inhaftierten eingesperrt ist: Nur vier Quadratmeter bleiben jedem, die Toilette sei nur unzureichend durch eine Sperrholzwand abgetrennt, die lediglich Sichtschutz biete. Wenn man die Zelle dann noch mit einem Raucher teile, sitze man den ganzen Tag in einem unerträglichen Gestank aus Schweiß, Rauch und Fäkalien.
    »Viele Gefangene reagieren apathisch mit ständigem Hinundhergehen, ähnlich wie es bei eingesperrten Tieren im Zoo zu beobachten ist.«
    Die einzige Lichtquelle sei eine Leuchtstoffröhre an der Decke, die man nur vom Gang aus bedienen könne. Tagsüber werde das Licht ausgeschaltet, obwohl viele Zellen gerade im Winter dafür eigentlich zu dunkel seien. Die Heizung werde stets nur kurz eingeschaltet, und weil viele Fenster defekt seien und sich nicht komplett schließen ließen, sei es oft bitterkalt. Das Essen sei schlecht und entspreche in keiner Weise dem, was aus ernährungswissenschaftlicher Sicht als gesund anzusehen sei; so gebe es zum Frühstück zwei Scheiben Weißbrot, Margarine, Marmelade oder ein Stück Wurst und wässrigen Tee, mittags meist Eintöpfe mit Kartoffeln. In diesem Punkt widersprach der Blogger dem, was der Reporter des Fernsehbeitrags über das Essen gesagt hatte – der fand die Knastkost in Stadelheim nämlich ausgesprochen lecker und war positiv überrascht. Aber man hatte ihn ja auch allein in eine relativ moderne und sehr große Zelle gesteckt, die keineswegs dem Normalstandard entsprach; vielleicht hatte man ihm auch besseres Essen serviert als den übrigen Gefangenen. Der »echte« Stadelheimer Häftling beklagte weiter, dass es in den meisten Zellen keinen Strom gebe und elektrische Geräte wie Radio oder Fernseher – die einzige Ablenkungsmöglichkeit – mit teuren Batterien betrieben werden müssten, nur einmal pro Woche werde ein Film in Gemeinschaftraum gezeigt. TV - oder Radiogeräte müssen auf eigene Kosten gemietet oder gekauft werden – bei zwei von der Gefängnisleitung zugelassenen Händlern. Tageszeitungen seien – ebenso wie »bessere« Lebensmittel, Schreibpapier und vor allem Kosmetika – bei einem »überteuerten Monopolhändler« zu erwerben, denn vom Gefängnis werde nur ein Stück Seife, Zahnpasta und eine Zahnbürste umsonst zur Ver fügung gestellt; Haarshampoo, Deo oder Rasiercreme gebe es nicht. Zu dem TV -Reporter hatte man zwar gesagt, er dürfe täglich duschen, der Blogger widerspricht dem jedoch in aller Deutlichkeit: »Duschen ist unter teilweise chaotischem Gedränge nur zwei Mal pro Woche möglich, die Hygiene ist dementsprechend. Viele bekommen Hautausschläge etc., beim Arzt wird das dann als psychosomatisch eingestuft.«
    Ich erzähle Claus von dem Blog und frage ihn nach seiner Meinung.
    »Na ja, Knackis jammern gern, das ist für viele die Hauptbeschäftigung hinter Gittern. Manches stimmt, manches habe ich anders in Erinnerung. So wurden einem zum Beispiel sehr wohl Shampoo, Rasiercreme und ein Rasierer ausgehändigt. Ich glaube, es gab sogar einen Rasierpinsel. Natürlich glich das Shampoo eher einem Industriereiniger, aber hey – es ist ein Gefängnis. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Und zu den anderen habe ich immer gesagt: ›Wir haben es uns alle selbst zuzu schreiben, dass wir hier drinsitzen. Keiner von uns müsste hier sein.‹«
    Ich lege meine Hand auf seinen Oberschenkel.
    »Damit hast du dich bestimmt sehr beliebt gemacht.«
    »Das war mir so was von egal. Ich wollte nur sterben und hasste mich so sehr dafür, dass ich nicht gesprungen war, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Ich wünschte mir die Todesstrafe für mich selbst.«
    Noch heute quält Claus der Gedanke, dass es für alle vielleicht besser gewesen wäre, wenn er sich das Leben genommen hätte, wenn er also vom Hochhaus gesprungen wäre.
    »Ich bin mir nicht immer sicher, ob ich meinen Freunden dankbar dafür sein soll, dass sie mich davon abgehalten haben.«
    Sein Tod, so meint er, hätte vielleicht den Teufelskreis aus Schuld, Trauer, Hass und Rache durchbrochen und es für alle leichter gemacht, mit dem Mord an Elke fertigzuwerden.
    »Dieser Gedanke Wäre er doch bloß gesprungen ist bestimmt auch schon meinen Freunden durch den Kopf geschossen«, sagte er einmal zu mir. »Und das sicherlich mehr als einmal.«
    »Aber was hättest du deiner Mutter angetan – hast du dir das nicht überlegt?«
    »Doch, natürlich habe ich

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