Geliebter Normanne
aber nicht erst so, seit Bosgard ihr den Antrag gemacht hatte und sie damit zur Herrin erkor. Nein, bereits vorher hatte Hayla eine tiefe Verbundenheit mit der Burg und der umliegenden Landschaft empfunden. Auch wenn sie in Wessex wie auch in London immer gern gelebt hatte – das Gefühl, eine richtige Heimat gefunden zu haben, hatte sich erst hier auf Penderroc eingestellt.
Da es noch kühl war, zog Hayla fröstelnd den Umhang fester um ihren Körper. Obwohl sie in der vergangenen Nacht kaum geschlafen hatte, war sie nicht müde, sondern beschwingt und glücklich. Bosgard war nicht nur aufgewacht und auf dem Weg der Besserung, sondern er hielt nach wie vor zu ihr. Ihre Zweifel an seiner aufrichtigen Liebe waren beseitigt. Zwar würde Bosgard, wenn er Lady Constance zurückwies, vielleicht Penderroc Castle verlieren, aber Hayla war fest entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen. Sie glaubte wie er an ein Missverständnis, und Bosgard zweifelte nicht an der Sympathie des Königs für ihn. Noch heute wollte Bosgard ein Schreiben an den König aufsetzen und ihn um Aufklärung seines seltsamen Befehls bitten. Wenn das nicht half, dann war Hayla fest entschlossen, persönlich nach London zu reisen, um mit König William zu sprechen.
Während sie über all das nachdachte, erwachte die Burg zum Leben. Zwei Wachsoldaten öffneten das große Tor, um die bereits wartenden Mädchen einzulassen, die von den umliegenden Bauernhöfen in großen Krügen frische Milch brachten. Im Osten lichtete sich der Nebel, und ein Streifen Sonne blitzte am Horizont, als Hayla das Haupttor passierte. Seit langem hatte sie sich nicht so befreit und so glücklich gefühlt, und für den Augenblick fielen alle sorgenvollen Gedanken über Constance Aubrey und Ralph Clemency von ihr ab.
Hayla hörte die Pferde, bevor sie im Nebel die Ankömmlinge erkannte. Der Hufschlag von mehreren Tieren war zu vernehmen, dazu das Klirren von Rüstungen. Da Hayla keine Ahnung hatte, ob die Reiter in freundlicher oder feindlicher Mission kamen, lief sie schnell in die Sicherheit der Burgmauern zurück und wies die Wachen an, das Tor zu schließen. Der normannische Wachmann starrte sie nur verständnislos an und war nicht gewillt, dem Befehl einer Magd zu folgen. Hayla konnte gerade noch in die Halle schlüpfen, als die Reiter ungehindert in den Burghof galoppierten. Durch den Türspalt beobachtete sie das Geschehen im Hof. Es waren acht Reiter in normannischen Rüstungen und Helmen, die ihre Gesichter weitgehend verbargen. Einer von ihnen rief der Wache zu: »He, du da, melde uns dem Burgherrn. Mein Name ist Sir Roger de Longchamps. Meine Männer und ich sind die ganze Nacht geritten und bitten um ein Mahl und ein Lager, um uns zu stärken und auszuruhen.«
Hayla, die vor Anspannung die Luft angehalten hatte, atmete erleichtert auf. Offenbar kamen die Ritter in friedlicher Absicht und waren nur auf der Durchreise.
Der Wachsoldat verbeugte sich.
»Unser Herr, Mylord Bosgard de Briscaut, befindet sich derzeit auf dem Krankenlager, aber Ihr und Eure Männer seid auf Penderroc Castle willkommen.«
»Ich hoffe, der Lord ist nicht ernsthaft erkrankt.« Die Stimme des Sprechers klang besorgt und freundlich. »Man kann aber mit ihm sprechen, nicht wahr?«
Der Wachmann zuckte nur mit den Schultern und gab zwei Knechten einen Wink, sich um die Pferde zu kümmern.
»Hier geht es ja zu wie in einem Taubenschlag.« Waline trat neben Hayla und schüttelte missbilligend den Kopf. »Erst diese schreckliche Lady Constance, jetzt schon wieder ein paar Esser mehr, die uns Arbeit machen.«
In den letzten Monaten hatte Waline so viel Französisch gelernt, dass sie einfachen Gesprächen folgen konnte.
»Bosgard hält viel von Gastfreundschaft«, sagte Hayla. »Ich werde ihm sagen, dass Reisende angekommen sind.« Auf Walines erstaunten Blick hin lächelte Hayla und nickte. »Ja, Waline, er ist letzte Nacht aufgewacht. Zwar brummt ihm noch heftig der Schädel, aber er wird bald wieder ganz gesund sein.«
Ein leichtes Lächeln huschte über Walines Gesicht, das Hayla froh stimmte. Vielleicht würde die alte Magd ihre Abneigung gegen Bosgard endlich aufgeben.
Auf der Treppe zu Bosgards Gemach begegnete ihr Constance Aubrey.
»Was sind das für Leute?«, herrschte sie Hayla unfreundlich an, aber diese blieb ganz ruhig.
»Reisende, die um Nahrung und ein Lager bitten, Mylady. Offenbar Normannen.«
Constance seufzte. »Dann werde ich sie wohl begrüßen und in die Halle
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