Geliebter Normanne
Respekt, aber Euch ist sicher das Salische Gesetz geläufig, nicht wahr?«
Bosgard runzelte über diesen plötzlichen Themenwechsel die Stirn.
»Ich wüsste nicht, warum Ihr dieses Gesetz ansprecht. Es hat mit dieser Sache hier nichts zu tun.«
»Nun, Ihr werdet es gleich erfahren. Das Salische Gesetz besagt, dass Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen sind. Ihr wisst aber sicher auch, dass dieses Gesetz in England keine Gültigkeit hat und nicht zur Anwendung kommt, auch wenn es bisher nie nötig war, einem Weib die Krone aufs Haupt zu setzen.«
Bosgard versuchte nicht, seine Ungeduld zu verbergen.
»Kommt endlich zum Punkt, Ritter, damit wir dieses unangenehme Gespräch beenden können.«
Mandric ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein.
»Angenommen, Mylord, nur mal angenommen, es gäbe eine Frau, die einen Anspruch auf den Thron Englands hätte, ich meine als Verwandte des toten Königs Harold – was würde König William dann tun?«
»Da es so jemanden nicht gibt, ist es müßig, darüber nachzudenken.« Bosgard zog Hayla dichter an sich, gemeinsam wandten sie sich ab. »Ich wünsche, Euch niemals wiederzusehen, Ritter Mandric.«
»Wartet, Mylord, Ihr werdet gleich verstehen. Nun, ich sage Euch, es gibt eine lebende Tochter des angelsächsischen Königs. Sie wurde zwar unehelich geboren, aber sie entsprang seinen Lenden und ist aus seinem Fleisch und Blut. Das würde unserem guten König William doch wenig gefallen, oder?«
Bosgard verharrte, und Hayla merkte, wie sich sein Körper versteifte.
»Ihr wisst ebenso wie ich, Ritter, dass alle Personen, die in verwandtschaftlicher Beziehung zu Harold standen, entweder tot oder gefangen sind. König William kann das Risiko eines neuen Aufstandes nicht eingehen …«
»Und zu einem solchen Aufstand würde es unweigerlich kommen, wenn bekannt würde, dass eine Person existiert, die mehr Rechte auf Englands Krone hat als der normannische Herzog! Folglich müsste die Person eliminiert werden, am besten, man tötet sie und verwischt alle Spuren.«
Bosgard ließ Hayla los und trat vor Mandric, packte ihn am Kragen und schüttelte den kleineren Mann mühelos.
»Sagt endlich, was Ihr zu sagen habt, und dann verschwindet von hier, bevor ich mich vergesse!«
Mandric schien von Bosgards Wut unbeeindruckt. Ein siegessicheres Lächeln begleitete seine Worte, als er sagte: »Nun, Mylord Bosgard, die Frau, die Englands Krone für sich beanspruchen könnte, steht direkt neben uns, und Ihr plant, sie zu heiraten. Das würde dem König doch wenig gefallen, oder? Ich glaube, er würde in diesem Fall nicht nur sie, sondern Euch gleich mit töten.«
»Ha! So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört!« Bosgard schnaubte und ließ Mandric los. »Nur weil Hayla Harolds Mündel war, macht sie dies noch lange nicht zu seiner Erbin.«
»Als Mündel allein nicht, aber als seine leibliche Tochter schon.«
»Was?« Nun konnte auch Hayla, die das Gespräch bisher ungläubig verfolgt hatte, nicht mehr schweigen. »König Harold hat mich unter seinen Schutz genommen, als mein Vater starb, das weißt du ganz genau, Mandric.«
»Nun, ganz so war es nicht, meine Liebe. Harold war dein Vater. Er hatte eine kurze … Beziehung zu deiner Mutter, als diese noch unverheiratet war. Als sie dann Harolds Kind unter ihrem Herzen trug, sorgten seine Eltern dafür, dass die Frau mit einem passenden Mann verheiratet wurde, der dieses Kind als sein eigenes akzeptierte. Die Frau war zwar schön – das hat Hayla übrigens von ihrer Mutter geerbt –, aber von zu niedriger Geburt, als dass sie für Harold als Ehefrau in Frage gekommen wäre. Man kann über den toten König sagen, was man will, aber er war stets um das Wohlergehen seiner Tochter besorgt, und so war es selbstverständlich, dass er sie als Mündel aufnahm, nachdem ihre beiden Eltern gestorben waren. Da Harold eheliche Kinder versagt blieben, ist Hayla also die rechtmäßige Erbin der Krone Englands.«
Hayla fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen. Alles in ihr war wie zu Eis erstarrt, und die Frage, die ihr auf der Zunge brannte, sprach Bosgard aus.
»Woher wollt ausgerechnet Ihr das wissen, Ritter Mandric?«
Mandric zuckte lapidar mit den Schultern.
»Harold hat es mir gesagt, als er mir nahelegte, Hayla zu heiraten. Allerdings nahm er mir den Schwur ab, nicht darüber zu sprechen, doch heute fühle ich mich an diesen Eid nicht mehr gebunden. Es waren übrigens noch
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