Geliebter Rebell
zuvor war er ihr attraktiver erschienen. Ein richtiger Herzensbrecher… Und dieser Zeremonie hatte er nur ihr zuliebe zugestimmt. Ihm hätte eine schlichte Hochzeit auf dem Standesamt genügt.
Der Mittelgang der Kirche kam ihr sehr lang vor. Neben dem Altar sah sie Tina und Liz stehen, zauberhaft in ihren malvenfarbenen Kleidern. In den Bänken zur Rechten sassen ihre Freunde aus der Kunstszene. Sie erkannte Silvia, die Kunstkritikerin, die in ihr Taschentuch schnüffelte. Links hatte Brents große Familie Platz genommen. Seine Mutter Ria – schlank, dunkelhaarig und hübsch wie der Sohn – schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln, das gerührt erwidert wurde. Und sein Dad, Jonathan McCauley, würdig und hoch aufgerichtet, musterte die Braut bewundernd.
Sie erlebte ein Märchen. Wenn sie auch kein Aschenputtel gewesen war, so sah sie in Brent doch einen Prinzen, der auf einem grossartigen Roß herangeritten war, um sie in ein Reich voll himmlischem Glück zu entführen. Sein Vater hatte sie in der Familie ebenso herzlich willkommen geheißen wie die Mutter. Nichts trübte Gayles Freude. Natürlich konnten die Flitterwochen nicht ewig dauern, aber sie bezweifelte, dass sie Liebe, die sie mit Brent verband, jemals ein Ende finden würde. Diese Liebe war so leidenschaftlich, so überwältigend, die vollkommene Erfüllung. Gewiß musste sie auch mit schlechten Zeiten rechnen, das wusste sie, doch gemeinsam mit ihrem Mann würde sie alle Schwierigkeiten meistern. Daran glaubte sie felsenfest.
Auch Liz weinte, lächelte aber und betupfte sich die Augen – ganz vorsichtig, um die Wimperntusche nicht zu verwischen.
»Bist du dir wirklich sicher?« flüsterte Geoff.
»O ja!« wisperte Gayle zurück, im Brustton der Oberzeugung.
»Sogar die Presse ist da. In einer Minute wird ein Blitzlichtgewitter über uns hereinbrechen. Jetzt bist du bald Mrs. Genie – wirst du das verkraften?«
»Ja! Und jetzt halt endlich den Mund, Geoff!«
»Ich will bloß nicht, dass du ohnmächtig wirst oder in Tränen ausbrichst.«
»Das wird nicht passieren«, versprach Gayle, fürchtete aber, sie würde vor Nervosität zu kichern anfangen. So glücklich sie auch war – sie spürte, wie sich ein Klumpen in ihrer Kehle bildete. Meine Eltern müßten hier sein, sagte sie sich, und in diesem Augenblick vermißte sie die beiden schmerzlich. Ted und Doris Norman waren schon lange tot, und ihre Tochter hatte den Verlust überwunden. Doch nun lebte der Kummer plötzlich wieder auf.
Du hättest Brent geliebt, Mom, dachte sie. Und dir hätte er auch gefallen, Daddy – nicht nur wegen der Sicherheit, die mir sein Geld bietet. Das spielt die allergeringste Rolle. Er ist so wundervoll…
Geoff drückte ihren Arm. »Ich glaube, sie schauen zu.«
»O Geoff – wieso weißt du, woran ich denke?«
»Dein Gesicht hat’s mir verraten, Prinzessin. Kein strahlendes Lächeln… Außerdem denkt jede Braut an ihre Mutter.
Aber sieh nach vorn. Da wartet Brent deine Zukunft. Er runzelt schon die Stirn, weil er dir anmerkt, dass was nicht stimmt.«
Sie riß sich zusammen. Warum kamen ihr in einem solchen Moment so morbide Gedanken? Sie näherten sich dem Altar, dem Priester, den weinenden Brautjungfern, Brent und Chad und Gary – alle warteten. Sie sah Brents verwirrten Blick, und die Liebe zu ihm erwärmte ihr Herz. Sie lächelte ihm besänftigend zu.
»So ist’s richtig.« Geoff drückte wieder ihren Arm.
»Habe ich dir jemals gestanden, wie sehr ich dich liebe?«
»Also wirklich, Gayle? Doch nicht vor diesem Muskelprotz, den du in ein paar Minuten heiraten wirst. Hätten wir dieses Gespräch nicht früher führen können?«
»Du bist ein Idiot.«
»Übrigens, ich liebe dich auch.«
Endlich, endlich hatten sie den ganzen Mittelgang zurückgelegt. Noch einmal drückte er ihre Hand. Der Priester sprach bereits und stellte die Frage, wer diese Frau dem heiligen Ehestand übergeben würde. Mit klarer Stimme antwortete Geoff, trat vor und legte Gayles Hand in die des Bräutigams.
Liz schluchzte laut auf, Chad grinste nervös, und Tina bekam einen Schluckauf. Das alles nahm Gayle wahr, während Brents Finger ihre fest umschlossen.
Aufmerksam lauschte sie den traditionellen Worten von der Liebe, die andauern sollte, bis der Tod die Eheleute scheiden würde. Und während das Brautpaar sein Gelübde ablegte, wusste Gayle, dass Brents Versprechen ebenso aus tiefstem Herzen kam wie ihres. Ihre Hand zitterte, als er ihr den Trauring an den Finger
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