Geliebter Rebell
zu helfen. »Brent, das ist keine Hexenärztin, und es kann nichts schaden, wenn ihr sie konsultiert.«
»Und was soll es uns nützen, wenn diese alte Vettel hier rumläuft, die Wände abklopft und Geister beschwört? Nein, das ist absurd. Wir werden das Problem selber lösen.«
»Verdammt, das können wir nicht!« rief Gayle.
»Warum nicht. Was ist denn passiert? Was ist wirklich passiert?«
»Eine ganze Menge, Brent…«
Er umfaßte ihre Hände. »Wir haben uns ein bißchen seltsam benommen. Chad erzählte mir mal von einer Tante, die darauf bestand, im Lebensmittelladen Opernarien zu singen. Das hat die Familie keineswegs um den Schlaf gebracht.«
»Brent, hier geht es um ernstere Dinge.«
»Mit dieser Frau will ich nichts zu tun haben.«
Flehend sah sie ihn an, dann drehte sie sich zu Geoff um.
»Hilf mir doch!«
Unbehaglich erhob er sich und trat von einem Fuß auf den anderen. Er wünschte verzweifelt, er wäre imstande, etwas für die beiden zu tun. »Ach, zum Teufel, Brent«, begann er unsicher, »ich will mich weder auf deine noch auf Gayles Seite schlagen, aber denk doch mal nach! Ihr genießt das seltene Glück, die ganz große Liebe gefunden zu haben. Und die Liebe ist das Wichtigste im Leben, etwas ganz Besonderes. Willst du das aufs Spiel setzen? Solltest du nicht nach jedem Strohhalm greifen, der euch retten könnte, und mag er dir noch so fragwürdig erscheinen?«
Brent richtete sich kerzengerade auf, und Gayle spürte seinen Zorn, den er in heißen Wellen auszustrahlen und der sie völlig einzuhüllen schien. Doch er sprach mit leiser Stimme. »Tut mir leid, Geoff«, versicherte er. »Aber ich kann’s einfach nicht.
Eine Parapsychologin – niemals!« Er liess die Hände seiner Frau los, machte auf dem Absatz kehrt und verliess das Zimmer. Sekunden später hörte sie die Haustür ins Schloß fallen, der Motor des Mustangs heulte auf.
Kraftlos sank Gayle auf die Couch und begann zu weinen.
Geoff setzte sich zu ihr und legte ungeschickt einen Arm um ihre Schultern. »Er wird schon noch zur Vernunft kommen, ganz bestimmt.« Er gab ihr sein Taschentuch, und sie wischte ihr Gesicht ab. Dann entschuldigte sie sich, weil sie die Nerven verloren hatte. »Das ist schon okay«, besänftigte er sie.
Unvermittelt sprang sie auf und griff nach seiner Hand.
»Geoff! Komm bitte mit! Jetzt, wo Brent weg ist… Wer weiß, ob sich noch mal so eine günstige Gelegenheit ergibt.«
Wofür?«
»Ich will dir die Skizze zeigen. Du musst sie sehen.«
Er folgte ihr durch den Säulengang ins alte Küchenhaus.
Aufgeregt zog sie eine Kiste aus dem Schrank, entrollte ein Pergament und hielt es ihm vor die Nase. Schmerzhaft hämmerte sein Herz gegen die Rippen, ein eigenartiger Schauer rann ihm über den Rücken. Gayle hatte recht. Die Zeichnung war sehr, sehr alt und vermutlich ein Vermögen wert. Ausdrucksvoll hielt sie die Bewegungen der Figuren fest. Und sie glich bis ins kleinste Detail jener Skizze von Brent.
»Nun?« wisperte Gayle.
Geoff versuchte zu lächeln. Sie wirkte so verletzlich, während sie ihn mit großen blauen Augen anstarrte, das Gesicht von blonden Locken umrahmt. Wie konnte Brent ihr irgendwas abschlagen? Er hat Angst, dachte Geoff. Brent McCauley hat Angst und weiß nicht, wie er es zugeben soll. »Ich glaube, dein Mann muss die Skizze irgendwo gesehen haben, als er ein Kind war«, log er. »Oder vielleicht sah er eine Kopie davon, und die blieb in seinem Gedächtnis haften.«
»Glaubst du das wirklich?«
Er grinste. »Klar.« Aber er glaubte es nicht. Er nahm ihre Hand. Trinken wir unsere Gläser leer. Danach werde ich losfahren. Wenn Brent zurückkommt, solltet ihr beide allein sein.« Es widerstrebte ihm, die Skizze noch einmal zu betrachten. Ein neuer Schauer überlief ihn.
Gayle ruckte, rollte das Pergament zusammen und verstaute es in der Kiste, die sie in den Schrank zurückschob. Auf dem Rückweg zum Salon bemühte sie sich, leichthin Konversation zu machen – ohne Erfolg. Beide waren nervös und verlegen.
Bald danach verabschiedete sich Geoff und bat sie, ihn anzurufen, wenn sie ihn brauchte. Sie setzte sich auf die Couch, wartete auf Brent und hoffte, er würde bald zurückkehren.
Sie wartete und wartete. Schliesslich weinte sie sich in den Schlaf. Er kam nicht spät nach Hause – er kam überhaupt nicht.
Kapitel 17
Dr. Marsha Clarks Praxis lag in einem modernen Wolkenkratzer in der City, nicht weit von der Galerie. Genau wusste Gayle nicht, was sie erwartet
Weitere Kostenlose Bücher