Geliebter Schuft
er sehr neugierig war, was sich Constance Duncan über ihre Ansichten entlocken ließ. »Frauen sind nicht geschaffen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Ich würde sogar sagen, dass es höchst unpassend ist, wenn sie es tun.«
Für einen kurzen Moment raubte es Constance trotz ihres Vergnügens an der Herausforderung den Atem. Was für ein anmaßender, eingebildeter, arroganter männlicher Standpunkt! Völlig einseitig, ohne auch nur die Möglichkeit einer anderen Meinung in Betracht zu ziehen. »Unfähig?«, gab sie zurück und starrte ihn an, nicht mehr imstande, Gleichgültigkeit zu heucheln.
»Aber ja.« Er schien ihre Fassungslosigkeit nicht zu bemerken. »Frauen sind von ihrer Erziehung her nicht geeignet, finanzielle oder geschäftliche Angelegenheiten zu bewältigen. Und das ist gut so. Es soll eine Arbeitsteilung geben. Männer kümmern sich um die geschäftliche Seite des Lebens, während Frauen für Haushalt und Kinderzimmer zuständig sind und« - er lachte auf - »sich natürlich amüsieren sollen.«
»Und ihre Ehemänner verwöhnen und bedienen sollen«, ergänzte Constance mit einem gefährlichen Aufblitzen der Augen.
»Es ist nur recht und billig, wenn ein Mann erwartet, dafür verwöhnt zu werden, dass er für Sicherheit und alle kleinen Annehmlichkeiten sorgt, die Frauen für ihr Wohlbefinden benötigen.«
Der Mann war unmöglich und einen Streit nicht wert. »Gleich wird die Musik einsetzen«, erklärte Constance. »Ich sehe, dass Ihre Schwester Ihnen winkt. Sicher legt Lady Graham größten Wert auf Ihre schützende Gegenwart, während sie den Arien lauscht.«
Max sah das Funkeln in den dunkelgrünen Augen und hatte das unbehagliche Gefühl, in einen Tigerkäfig geraten zu sein. Vielleicht war er zu weit gegangen. »Wie ich sehe, sind wir nicht einer Meinung«, bemerkte er mit besänftigendem Lächeln.
»Sehr scharfsinnig, Mr. Ensor. Entschuldigen Sie mich, ich muss mich auf die Suche nach meinen Schwestern machen.« Und fort war sie in einem Wirbel hellen Chiffons. Ihr dunkelrotes Haar, das ihm zwar wunderschön, aber nicht eben feurig vorgekommen war, schien nun in Flammen zu stehen.
Ganz entschieden eine Frau, der man mit Vorsicht begegnen musste. Nachdenklich die Lippen schürzend, kam er der Aufforderung seiner Schwester nach.
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3. Kapitel
Da Constance während der Gesangsdarbietung innerlich kochte, entging ihr, mit welcher Perfektion die herrliche Stimme der Sopranistin alle Höhen bewältigte. Ihre Schwestern, die sie flankierten, spürten sehr deutlich, dass sie nicht bei der Sache war. Prudence warf ihr einen raschen Seitenblick zu und sah, dass Constance ihre Hände krampfhaft gefaltet hielt.
Als die letzte Arie verklungen war, blieb Constance auf dem zierlichen vergoldeten Stuhl sitzen, bis Chastity sie schubste. »Con? Es ist aus.«
»Ach.« Constance zwinkerte und blickte wie aus tiefem Schlaf erwacht um sich. »Es war wunderschön, nicht?«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Prudence. »Du hast keine einzige Note gehört.«
»Aber sicher doch.« Nach ihrem Abendtäschchen greifend, stand Constance auf. »Für einen Abend reicht es mir jetzt. Kommt, wir verabschieden uns.«
»Ist dir nicht gut, Con?«, fragte Prudence besorgt.
»Ich habe ein wenig Kopfschmerzen«, erwiderte Constance. »Nicht sehr stark, aber ich freue mich auf mein Bett. An der Tür steht Arabella. Wir wollen vor den anderen bei ihr sein.« Sie schritt eilends zur Tür, um ihre Gastgeberin zu erreichen, ehe die anderen Gäste sich verabschieden wollten.
Prudence wechselte einen beredten Blick mit Chastity, ehe beide ihrer älteren Schwester folgten.
»Sie wollen so früh gehen, liebe Constance?«, rief Arabella aus. »Im gelben Salon wird eine Kleinigkeit serviert.«
»Ich habe ein wenig Kopfschmerzen.« Zur Unterstreichung ihrer Behauptung hob Constance eine Fingerspitze an die Stirn und bedachte Lady Arabella mit einem Lächeln, von dem sie hoffte, dass es überzeugend matt ausfiel, obwohl sie sich bemerkenswert kräftig fühlte. Zorn war ein beflügelndes Gefühl. »Es war ein herrlicher Abend, Arabella.«
»Ist die Sängerin nicht wundervoll... einfach zauberhaft! Eine grandiose Stimme ... Was für ein Glück, dass ich sie erhaschen konnte.« Ganz wie einen Schmetterling im Netz, dachte Constance, pflichtete aber mit einem Lächeln bei.
Sie gingen weiter zu den zur Galerie führenden Türen und der Treppe, über die sie in die frische Luft und die
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