Geliebter Schuft
Ausschankordnung auch leeres Gewäsch?«, erwiderte Constance lächelnd. »Man möchte meinen, dass ein Abgeordneter darüber eine eigene Ansicht hat und sich für die anderer Menschen interessiert.«
»Für Ansichten, die Hand und Fuß haben, schon, Miss Duncan.« Nun machte es ihm richtig Spaß, und er ahnte, dass es bei Constance ähnlich war. Ihre Augen blitzten und tanzten wie Leuchtkäfer.
»Und Meinungen von Frauen haben das nicht?«
»Das sagte ich nicht, Miss Duncan. In vielen Bereichen haben Frauen sehr fundierte und bemerkenswerte Ansichten.«
»Sicher nur auf Gebieten wie Heim und Herd, Küche und Kinderzimmer, wie Sie unlängst deutlich machten.«
»Und das kränkte Sie?« Er zog neugierig eine Braue hoch. »Das war nicht meine Absicht. Ich bringe Ihren Geschlechtsgenossinnen ausschließlich Achtung und Bewunderung entgegen.«
»Und mein Geschlecht fühlt sich entsprechend geehrt, Mr. Ensor. Gestatten Sie, dass ich Sie Lady Bainbridge und ihren Töchtern Lady Martha und Lady Mary vorstelle.« Sie drehte sich um, und das Gefecht war vorüber, für den Moment jedenfalls. Er war nicht sicher, an wen diese Runde gegangen war.
Jenkins kündigte drei weitere Gäste an, und das Stimmengewirr lebhafter Konversation erfüllte den Salon. Constance und ihre Schwestern waren zu beschäftigt, sich um die Gäste zu kümmern, als dass sie sich auf längere Gespräche hätten einlassen können, doch Constance spürte Max Ensors verstohlenen Blick, der ihr durch den Raum folgte. Er macht einen gelangweilten Eindruck, dachte sie. Hinter dem Stuhl seiner Schwester stehend, hatte er Teetasse und Sandwich abgestellt und achtete nicht darauf, was um ihn herum gesprochen wurde. Tatsächlich schien er nur Constance wahrzunehmen.
Constance schnitt ein Stück Kuchen ab und brachte ihn ihm. »Mr. Ensor, unsere Köchin ist für ihre besonders lockeren Biskuitbäckereien bekannt.« Sie reichte ihm den Teller, ehe er ablehnen konnte. »Soll ich Sie jemandem vorstellen?«
»Nein, danke«, sagte er. »Ich bin hier, um mit Ihnen zu sprechen, Miss Duncan. Mich interessiert sonst niemand.«
Das war ein Affront, der ihr den Atem raubte. »Soll das heißen, dass Sie keinen der Anwesenden Ihrer Aufmerksamkeit für wert befinden?«
»Das sagte ich nicht, Miss Duncan.« Er sah sie mit einem Blick an, der Herausforderung und Frage zugleich war. Constance spürte, wie ihr Röte in die Wangen stieg, und wandte ihren Blick nur mit Mühe von ihm ab. Auf der Suche nach einer Antwort geriet sie in Verlegenheit. Sein befriedigtes Lächeln verriet, dass er dies wusste.
Max brach von dem Kuchen mit den Fingern ein Stück ab. Constance konnte nicht umhin zu bemerken, dass seine Hände für einen Mann ungewöhnlich lang und schmal waren. »Ein Mensch mit so begrenzten Interessen kann kaum erwarten, dass ihn andere interessant finden«, sagte sie kühl. Diese spitze Entgegnung entsprach ihren wahren Gefühlen nicht annähernd, doch hatten seine geradezu aufreizende Gelassenheit und Arroganz sie aus der Fassung gebracht.
Er spitzte die Lippen zu einem lautlosen Pfiff. » Touche, Miss Duncan.« Sein Lächeln wurde breiter. »Sicher ist jeder ihrer Gäste es wert«, sagte er. »Ich glaube allerdings, dass mein mangelndes Interesse eher ein schlechtes Licht auf meinen gesellschaftlichen Schliff wirft.« Er ließ ein abschätziges Schulterzucken folgen.
»Da muss ich Ihnen Recht geben«, erwiderte sie.
»Ich sage Ihnen, meine liebe Lady Bainbridge, ich erwäge ernsthaft, die Frau zu entlassen.« Letitias Stimme erhob sich plötzlich über den Lärmpegel der Gespräche.
»Lady Graham, ich würde Ihnen auch dringend dazu raten. Zögern Sie keinen Augenblick.« Lady Bainbridge schlug mit ihrem Fächer auf die flache Hand. »Man darf solchen Frauenzimmern unser kostbarstes Gut, die Kinder, nicht anvertrauen. Sie verderben die jungen und noch nicht gefestigten Seelen. Ich würde nie zulassen, dass Martha oder Mary diesen gottlosen Ansichten ausgesetzt werden.«
»Was für Ansichten, Letitia?«, fragte Constance, dankbar für die Gelegenheit, sich aus der Kampfzone zurückziehen und sich anderen Gästen zugesellen zu können.
»Ach, meine Liebe, man möchte es nicht glauben, aber ich durchsuchte heute Miss Westcotts Zimmer - Miss Westcott ist Pammys Gouvernante. Man muss diese Dinge im Auge behalten. Ich halte es für meine mütterliche Pflicht, hin und wieder ihr Zimmer zu inspizieren.« Letitia unterstrich ihre Worte mit einem energischen Nicken.
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