Geliebter Schuft
Jenkins allergrößten Wert.«
»Wir schreiben also, dass wir uns morgen Nachmittag mit ihr treffen.« Prudence zog sich schon ins Haus zurück. »Der Brief wird frühmorgens ausgeliefert, so dass sie ihn zur Frühstückszeit auf ihrem Postamt vorfindet. Und wo treffen wir uns mit ihr?«
»Nicht bei Fortnum. Dort würde sie sich nicht wohl fühlen«, sagte Chastity hastig und folgte ihrer Schwester ins Hausinnere.
»Ja, natürlich.« Constance nickte. »Ach, ich weiß ... wie wäre es mit dem Lyons Corner House am Marble Arch? Niemand aus unserer Bekanntschaft würde sich jemals dort blicken lassen. Ein anständiges Lokal, ganz Mittelklasse.«
»Mit dem zusätzlichen Vorteil, relativ preiswert zu sein«, fügte Prudence hinzu. »Ich w eiß nicht, was die Etikette vorschreibt, wenn m an sich zum Tee mit Klienten trifft, doch falls die Dame selbst bezahlt, ist es ratsam, wenn die Preise sich in vernünftigen Grenzen halten. Das gilt auch für den Fall, dass sie unser Gast ist.«
»Du willst doch nicht behaupten, ein Tee mit Sahne bei Fortnum würde unseren Bankrott bedeuten. Vergiss nicht, dass wir Honorar bekommen«, sagte Constance daraufhin.
»Das haben wir noch gar nicht besprochen«, erwiderte Prudence. »Sollen wir die Preise flexibel halten und von den Reichen mehr verlangen, um die weniger Begüterten mitzufinanzieren?«
»Selbstverständlich«, sagte Constance mit Nachdruck und folgte ihnen die Treppe hinauf. »Natürlich ist es einfacher, wenn jemand das Honorar zugleich mit seiner Anfrage mitschickt, doch werden das nicht alle tun.«
»Außerdem«, sagte Prudence und öffnete die Tür zu ihrem Salon, »könnte die Art und Weise dieser Dienstleistungen verschiedene Honorarbeträge erfordern. Spesen, beispielsweise ... was ist, wenn wir den Zug oder Droschken nehmen müssen?«
»Da wir keine Ahnung haben, was wir leisten müssen, können wir das nicht voraussagen.« Constance ging zum Sekretär. »Ich glaube, wir müssen von einer gleitenden Stundentaxe ausgehen, die Spesen beinhaltet. Sollten zusätzliche Unkosten anfallen, müssen wir diese extra verrechnen.« Sie nahm einen weißen Bogen Papier aus einem Fach. »Das hier trägt Vaters Wappen. Wir brauchen gewöhnliches Papier.« Sie kramte im rückwärtigen Bereich ihres Sekretärs.
Prudence überlegte. »Ich denke, wir alle können uns mit Miss Westcott treffen. Wir wissen, wer sie ist, und sie hat keine Ahnung, wer wir sind, und selbst wenn sie es wüsste, muss ihr an Diskretion so viel gelegen sein wie uns.«
»Bei anderen Klienten werden wir wie in einem Gruselroman agieren«, sagte Constance. »Mit dichtem Schleier und verstellter Stimme.« Sie setzte sich und tauchte die Feder ins Tintenfass. »Bitte, lacht nicht und konzentriert euch. Es ist mein Ernst. Also, was soll ich schreiben?«
Sie hatten den Brief eben in den adressierten Umschlag gesteckt, als an die Tür geklopft wurde und Jenkins mit einem Brief eintrat. »Das wurde eben für Sie abgegeben, Miss Con. Der Bote wartet auf Antwort.«
Constance drehte sich mit ausgestreckter Hand auf ihrem Stuhl um. »Danke, Jenkins. Und wir haben einen Brief, der noch heute zur Post müsste. Können Sie das erledigen?«
»Natürlich.« Sie tauschten die Umschläge aus.
Constance warf einen Blick auf die Handschrift. Unbekannt, aber unverkennbar männlich. Dunkle Tinte, kräftige Abwärtsstriche ohne schmückende Schwünge. Ganz instinktiv wusste sie sofort, von wem der Brief kommen musste. Seine Handschrift verriet den Mann so deutlich wie die Stimme. Aus heiterem Himmel spürte sie einen Stich. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, schlitzte mit gespielter Gelassenheit den Umschlag mit ihrem silbernen Papiermesser auf und entfaltete den einzigen Bogen. Die kühne Unterschrift war die erwartete.
»Nun?«, wollten ihre Schwestern wissen.
»Von Max Ensor. Eine Einladung zum Dinner für heute Abend.« Constance las das kurze Schreiben noch einmal, und entdeckte erleichtert, dass ihre Stimme so ruhig wie immer klang und das neuartige Gefühl in ihrem Inneren sich verflüchtigt hatte. »Falls ich keine anderen dringenden Verpflichtungen habe ...«
»Die du nicht hast.«
»Ja, die ich nicht habe.« Sie tippte mit dem Blatt an ihren Mund. »Gehen oder nicht, das ist die Frage.«
»Ja, allerdings.« Prudence nahm einen frischen Briefbogen, einen, der Lord Duncans Wappen trug, und legte ihn vor Constance auf den Schreibtisch. »Der Gute wartet auf Antwort.«
»Warum er wohl mit mir dinieren
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