Geliebter Schuft
Sie, Max, ich bringe Sie hinauf. Sicher wird Ihr Kammerdiener schon warten.«
Max hatte das Gefühl, dass die Duncan-Schwestern ihren Vater, mochte er noch so liebenswert sein, als echtes Problem betrachteten. Er folgte Constance ins kühle Haus. Holzrauchgeruch vom letzten Winter stieg vom Kamin auf, vermischt mit dem angenehmen Aroma von Duftsträußen und Bienenwachs. Ein Schwärm junger Mädchen, vermutlich für das Wochenende aus dem Dorf rekrutiert, deckte den Teetisch in dem lang gestreckten Salon mit den alten Deckenbalken, wachsam beäugt von Jenkins, der mit einem früheren Zug gekommen sein musste.
»Ist Mr. Ensors Kammerdiener in seinem Zimmer, Jenkins?«
»Jawohl, Miss Con. Miss Prue sprach vom Südturm, deshalb schickte ich ihn mit dem Gepäck dorthin.«
Constance nickte und ging mit Max durch eine dunkle Halle mit den gleichen Deckenbalken aus der Tudorzeit und einem massiven Kamin mit Kaminwinkel zu einer geschwungenen Treppe, die in den Oberstock führte. »Der
Südturm liegt in dem Trakt aus der Queen-Anne-Zeit«, sagte sie, und bog in einen langen Korridor ab, an dessen Ende eine schmale Wendeltreppe nach oben führte.
Er folgte ihr über die Stufen hinauf bis vor eine schwere Eichentür. Constance öffnete sie und betrat das runde Gemach, in das durch vier Sprossenfenster Licht einfiel. Marcel war dabei, den Abendanzug in einen dunklen Eichenholzschrank zu hängen.
»Das Zimmer hat ein eigenes Bad.« Constance deutete auf eine Tür in der Wand gegenüber. »Klein, aber ausreichend. Das Wasser wird von einem Gasboiler gewärmt. Es dauert eine Ewigkeit, bis die Wanne voll ist.«
»Ich bin vorgewarnt.« Er blickte sich im Raum um. Hier war man völlig abgesondert. Was hier oben vor sich ging, merkte kein Mensch im ganzen Haus. Seinem nachdenklichen Blick begegnete Constance mit einem Unschuldslächeln.
Was hatte sie jetzt vor ? Wäre da nicht die Episode auf der Wiese inmitten der Rinder gewesen, er hätte sich nichts dabei gedacht, dass sie ihn hier einquartierte. Schließlich musste ja jemand dieses Zimmer, einen sehr angenehmen Raum, beziehen. Jetzt allerdings war er nicht mehr so sicher. Er erwiderte ihr Lächeln ohne Kommentar.
»Es gehört zu meinen bevorzugten Räumen in diesem Haus«, erklärte Constance. »Für gewöhnlich überlasse ich es Gästen, die zum ersten Mal hier sind.« Sie ging zur Tür. »Sie können sich ein wenig erfrischen, ehe wir uns dann beim Tee sehen.«
Die Tür schloss sich hinter ihr. Leise vor sich hinpfeifend, trat Max an eines der offenen Fenster und blickte hinaus auf die Landschaft von Hampshire. Von seinem luftigen Standpunkt aus überblickte er die mit Stechginster und Farn bedeckten Heideflächen und Hügel des New Forest, die sich wie ein goldenes Meer bis zu einer Reihe windgepeitschter Fichten am Horizont erstreckten. Dahinter war die See zu ahnen. Man konnte das Salz in der Luft riechen. Es war so stark wie die Düfte der Lust.
Wie würden wohl die nächsten Schritte in diesem Tanz ausfallen? Er wandte sich wieder dem Raum zu, den man sich gut als kleines Liebesnest vorstellen konnte, und beantwortete Marcels Frage, was er abends anzuziehen gedenke.
»Ich hatte eine Idee«, sagte Constance und schwang ihren Krocketschläger, während sie das Spiel beobachtete. Es war früh am Abend, und die untergehende Sonne schien schräg durch das sommertrockene Laub der Blutbuche, die den Krocket-Rasen beschattete. Max war eben dabei, Lord Duncans Ball aus dem Feld zu schlagen.
»Du bist immer voller Ideen«, sagte Prudence daraufhin. »Ach, gut gespielt.« Sie applaudierte, als Max' Ball genau gegen jenen seines Gegners prallte und ihn ans entfernte Ende des Rasens rollen ließ. »Für Vater eine echte Herausforderung.«
»Das wird ihn freuen«, sagte Constance. »Also, ich glaube, wir müssen für David Lucan eine Frau finden.«
»Das wird aber nicht leicht sein. Er möchte nur Chas«, gab Prudence zu bedenken.
»Nun, mich kann er aber nicht haben«, stellte Chastity fest. »Und ich muss zugeben, dass mir seine Hundeblicke, die mich überallhin verfolgen, auf die Nerven gehen. Gut möglich, dass ich sogar unhöflich werden muss.«
»Umso mehr ein Grund für uns, ihm ein anderes Idol zu präsentieren, das er anbeten kann.« Constance schirmte die Augen gegen die Sonne ab und blickte zu Lord Lucan. Er stand mit einer Gruppe von Gästen beisammen, die nicht spielten, sondern mit Cocktailgläsern in den Händen das Spiel verfolgten.
»Aber was ist mit
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