Geliebter Schuft
der lieben Mama?«, fragte Prudence. »Ich kann mir nicht denken, dass sie mit einem Sohn einverstanden wäre, der plötzlich Neigung zur Selbstständigkeit zeigt.«
»Wie wahr. Wir müssen für ihn also eine Frau finden, die eine perfekte ergebene Schwiegertochter abgibt, damit seine Mutter das Paar auf ihre wohlmeinende Art dirigieren und später die Enkel bemuttern und den beiden genau erklären kann, wie man sie erzieht. Und«, fügte Constance triumphierend hinzu, »ich habe bereits eine junge Dame im Auge.«
»Das klingt ja nach einem reichlich düsteren Los«, erwiderte Prudence. »Willst du wirklich ein armes unschuldiges Mädchen zu einem solchen Leben verdonnern?«
»So schlimm wird es nicht sein, wenn das arme unschuldige Ding keine Ambitionen hat, sich zu emanzipieren«, sagte Constance. »Man kann nicht erwarten, dass sich das weibliche Geschlecht in seiner Gesamtheit mit einem Schlag von häuslicher Tyrannei befreien lässt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es viele Frauen gibt, die keine Freiheit wollen. Das sagte auch Mutter.«
»Und an welches unschuldige Mädchen dachtest du?«, fragte Chastity und lehnte ihren Schläger an eine schmiedeeiserne Bank.
»An Hester Winthrop.«
»Hester?« Beide Schwestern starrten erst Constance an, dann blickten sie über den Crocket— Rasen zu der blutjungen Dame hin, die in einem züchtig geschnittenen, hellrosa Abendkleid artig neben ihrer Mutter stand.
»Sie ist sehr hübsch. Sie ist sehr gefügig. Sie kommt aus einer erstklassigen und sehr begüterten Familie. Was könnte die verwitwete Lady Lucan gegen eine solche Verbindung einzuwenden haben?«
»Aber Hester ist so schüchtern. Nie würde sie sich aktiv um seine Aufmerksamkeit bemühen«, wandte Prudence ein.
»Wäre das nicht etwas für unsere Kontaktbörse?«
»Mädchen ... Mädchen ... ihr solltet euch unter die Gäste mischen.«
Die Schwestern stießen einstimmig einen Seufzer aus und drehten sich mit einem höflichen Lächeln um. Sie begrüßten ihre Tante, Lord Duncans Schwester, die bei geselligen Anlässen als offizielle Gastgeberin fungierte, da dies für unverheiratete Töchter als unpassend galt und die Duncan-Schwestern noch zu jung waren, um als >alte Jungfern< etikettiert zu werden. Die Mühen der Vorbereitungen überließ Tante Edith nur zu gern ihren Nichten, nahm aber ihre Rolle sehr würdevoll und in vollendeter Haltung wahr.
»Ich wusste gar nicht, dass du eingetroffen bist, Tante Edith.« Constance beugte sich über sie und gab ihr einen Kuss. »Wir warten, dass die Reihe an uns kommt.«
»Los, geht zu den Gästen.« Tante Edith machte scheuchende Bewegungen mit den Händen, während sie pflichtgemäß von Prudence und Chastity geküsst wurde. »Was werden sich die Leute denken, wenn ihr wie Mauerblümchen dasteht und miteinander tuschelt.«
»Wir spielen Krocket, Tante«, wandte Constance ein. »Wir warten, bis wir dran sind.«
»Geh und sprich ein wenig mit diesem reizenden Lord Lucan, Chastity. Und Prudence ... Lady Anne braucht jemanden, der mit ihr plaudert.«
Die Rettung nahte, als Lord Duncan einen Schlag verpatzte, und nun Constance an der Reihe war, für die Duncans gegen das bislang unbesiegte, von Max Ensor angeführte Team zu spielen.
»Du musst uns entschuldigen, Tante«, sagte sie lächelnd. »Wir sind jetzt gefordert. Chas, ich nehme einen Ball so herum.« Sie deutete auf die Tore. »Du bist dann für den Endschlag dran.«
»Das kannst du?«
»Was glaubst du denn?«
»Geh schon.« Chastity trieb sie mit einer Handbewegung an. Sie war eine eher schwache Spielerin, während Constance einen Ehrgeiz entwickelte wie ihr Vater und auch über den Siegeswillen verfügte, der ihm mit den Jahren abhanden gekommen war.
Lord Duncan kam näher, als seine Älteste den untadelig gepflegten Rasen betrat. »Los, Constance, du musst meine Kugel wieder ins Spiel bringen.«
»Ja, Vater«, sagte sie, »aber erst muss ich etwas anderes machen.« Sie schenkte Max ein reizendes Lächeln, als er beiseite trat, den Schläger leicht auf den Rasen gestützt. »Eine kleine Revanche.«
»Verschwende deine Schläge nicht«, dröhnte Lord Duncan gereizt. »Halte deinen Ball im Spiel und bringe meinen näher ans sechste Tor heran.«
»Guter Rat«, sagte Max, als sie ihre Position einnahm, den Schläger mit beiden Händen zwischen den Füßen haltend, bereit zum Ausholen. »Warum haben Sie es auf mich abgesehen? Ich stelle für Sie keine Gefahr dar, da ich dort drüben
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