Geliebter Schuft
freien Nachmittag hat, könnte die Trauung stattfinden.«
»O Gott«, stöhnte er und schüttelte den Kopf. »Das ist ... überwältigend.« Er begann damit, sich Notizen zu machen. Die Schwestern widmeten sich wieder ihrem kalten Lunch.
Eine halbe Stunde später befanden sie sich auf dem Weg zum Bahnhof. Constance hatte Henrys Brief an Amelia in ihrer Tasche.
»Meint ihr, dass er kommen wird?«, fragte Prudence mit besorgtem Stirnrunzeln.
»Ja. Ich glaube nicht, dass er Amelia im Stich lässt, nachdem er ihr ein Versprechen gab«, antwortete Chastity. »Außerdem wird er nicht riskieren, dass wir wieder auftauchen und mit seinem Vater reden. Con hat keinen Zweifel daran gelassen, dass wir es tun würden, wenn er am Sonntag nicht käme.«
»Das war wohl ziemlich plump«, gab Constance zu. Sie hatte vor dem Verlassen des Café s ihr letztes Pulver verschossen. »Aber ich dachte mir, Angst würde ihm das Rückgrat stärken.« Mit einer reuigen Grimasse fügte sie hinzu: »Ich hoffe nur, wir tun das Richtige für Amelia, indem wir die Heirat praktisch erzwingen. Henry wirkt nicht sehr standfest.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte Prudence überzeugt. »Amelia hat genug Kraft für beide. Es ist ja nicht so, als ob sie um seine Schwächen nicht wüsste. Sie wird in der Ehe die Hosen anhaben, und er wird tun, was sie sagt. Wenn sie es schafft, diesen Teufelsbraten Pamela Graham zu bändigen, wird es für sie ein Kinderspiel sein, Henry zu lenken.«
Constance nickte mit leisem Kichern. »Sicher hast du Recht. Möchte doch wissen, ob Max einen Sekretär hat.«
»Warum?«
»Nun, wenn er keinen hat, braucht er sicher einen. Ich würde sagen, wir haben in Henry Franklin den perfekten Kandidaten für diesen Posten.«
»Kennt deine Durchtriebenheit denn keine Grenzen, Con?«, sagte Prudence, als sie den Bahnhof erreichten.
»Keine Ahnung, da ich es nie ausprobiert habe«, erwiderte ihre Schwester schmunzelnd. »Ich muss erst sehen, ob ich ihn überreden kann.«
»Der Mann soll also für Max arbeiten und die Frau für dessen Schwester, ohne dass die Herrschaften etwas von der Ehe ahnen?« Chastity schüttelte den Kopf.
»Nur so lange, bis Amelia das Haus der Grahams wegen Ihrer Schwangerschaft verlassen muss«, sagte Constance ernst. »Das kann man nicht als Täuschung bezeichnen.«
»Das kannst du weismachen, wem du willst!«, spottete Prudence.
Constance lachte. »Ich könnte zumindest mit ihm reden.«
Sie setzten sich auf dem Bahnsteig auf eine Bank, um auf den Zug zu warten, und Chastity seufzte: »Die Vermittlertätigkeit ist sehr ermüdend. Und morgen müssen wir uns um diesen Anonymus und seine Bedürfnisse kümmern.«
»Kein Friede dem Bösen«, gab Constance ihr Recht.
»Kein Friede den Bedrängten«, korrigierte Prudence.
»Wir wollen hinter dem Vorhang im rückwärtigen Teil des Ladens warten, Chas«, sagte Prudence am nächsten Morgen mit einem raschen Blick hinter den Verkaufstisch. »Mrs. Beedle sagt, dass wir von dort mithören können, wenn du mit dem Anonymus hier bei den Keksen verhandelst.« Sie deutete auf einen staubigen Winkel mit Kekspackungen inmitten von Tiegeln mit Lakritzestäbchen und Bonbons auf den Regalen.
»Sie haben Zeit für eine Tasse Tee, Miss Con, falls der Gentleman nicht bis elf Uhr kommt.« Die rundliche Frau mit dem adretten weißen Haarknoten und der gestärkten Schürze, die bei jedem Schritt raschelte, kam hinter dem schweren Vorhang hervor. Messingringe klirrten, als sie ihn zur Seite zog. »Um diese Zeit trinke ich immer eine Tasse. Und dazu gibt es ein Stückchen frischen Korinthenkuchen. Man hört das Klingeln, wenn jemand kommt.« Sie deutete auf die Glocke über der Ladentür.
»Ach, ich liebe Korinthenkuchen«, sagte Chastity. »Er wird mich für meine einsame Aufgabe stärken.«
»Chas, ich übernehme ihn, wenn dir nicht wohl dabei ist«, warf Prudence rasch ein.
»Nein, das war nur ein Scherz.« Chastity folgte ihrer Schwester hinter den Ladentisch und hinter den Vorhang in eine kleine, ordentliche Küche, in der auf dem Herd ein Wasserkessel pfiff.
»Setzen Sie sich doch.« Mrs. Beedle deutete auf den runden Tisch, auf dem ein fettiges, vor Korinthen strotzendes, süßes Gebilde stand. Sie holte Tassen aus dem Schrank, wärmte die Teekanne, maß Tee ab und füllte die Kanne. »So, fertig.« Teekanne, Milchkännchen und Zuckerdose wurden auf den Tisch gestellt. »Sie bekommen ein Stück Kuchen, Miss Con.«
Constance hasste diesen Kuchen, da er
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