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Geliebter Schuft

Geliebter Schuft

Titel: Geliebter Schuft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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hängendem Schnauzbart und hellen traurigen Augen hinter einer Drahtgestellbrille sah von einem Stapel von Inventarlisten auf. Er stand mit einem zögernden und ein wenig fragenden Lächeln auf. »Was kann ich für Sie tun, meine Damen?«
    »Wir möchten zu Henry Franklin«, sagte Constance, die fand, dass der direkte Weg der beste sei. »Wissen Sie zufällig, wo wir ihn finden können?«
    »Nun, er steht vor Ihnen, Madam. Ich bin Henry Franklin.« Er sah sie offenkundig ratlos an. Auf den weißen, aus zu kurzen Jackenärmeln hervorlugenden Manschetten sah man Tintenflecke. Mit seinem viel zu langen Haar wirkte er so ungepflegt, dass man den Eindruck gewann, er lege keinen Wert auf sein Äußeres . Seine schmalen und weißen Hände aber wiesen tadellos manikürte Nägel auf. Pianistenhände, dachte Constance. Sein Alter konnte man schwer schätzen, da er mutlos und erschöpft aussah und wahrscheinlich jünger war, als sein Aussehen vermuten ließ.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
    Constance ließ den Blick durch den Büroraum wandern. Hinter einer Tür in der Wand gegenüber waren Stimmen zu hören. »Wäre es Ihnen möglich, hier kurz zu verschwinden, damit wir ungestört reden können?«
    »Um was geht es denn?« Er blickte nervös zur Tür, als die Stimmen lauter wurden. Eine war besonders laut und gebieterisch.
    Papa Franklin. Die Schwestern wechselten einen raschen Blick.
    »Um Amelia.« Chastity sagte es im Flüsterton. Sie war nahe vor ihn hingetreten und sah ihn eindringlich unter der aufgebogenen Krempe ihres weichen Samthutes hervor an, während sie eine Hand auf seinen Arm legte. »Wo sind wir ungestört?«
    Er starrte sie erschrocken an. »Ist ihr etwas zugestoßen? Ist sie wohlauf?«
    Constance sah Prudence an, und diese nickte zustimmend. »Ja, auf Ihre erste Frage, nein auf die zweite«, sagte Constance, deren Stimme so leise war wie die von Chastity, wenn auch längst nicht so mitfühlend. »Es gibt einiges zu besprechen, Mr. Franklin.« Sie blickte zur Tür hinter ihm. »Wir möchten niemanden anderen hineinziehen.«
    Er war nun aschfahl. »Wir treffen uns in einer Viertelstunde im Copper Kettle an der Market Street. Dort esse ich manchmal zu Mittag.«
    »Gut, bis dann«, sagte Chastity unverändert leise. »Keine Angst, Mr. Franklin, Sie haben von uns nichts zu befürchten.« Sie folgte ihren Schwestern hinaus, nicht ohne ihm von der Tür aus noch aufmunternd zuzunicken - allerdings wirkte er wenig aufgemuntert.
    »Meint ihr, dass er kommen wird?«, fragte Prudence.
    »Aber ja«, erklärte Constance. »Er wird kommen. Schon aus Angst. Wahrscheinlich glaubt er, wir wollen ihn erpressen.«
    »Na ja, irgendwie tun wir das ja auch«, sagte Prudence.
    Constance sah sie erstaunt an und lachte auf. »Im Grunde genommen schon. Wir entdecken in uns jede Menge zweifelhafter Talente, von deren Vorhandensein wir keine Ahnung hatten.«
    Das Copper Kettle war ein kleiner, von Chintz geprägter Teeladen. Die Schwestern studierten die Speisekarte.
    »Unser Welsh rarebit ist sehr gut, Madam«, half die Kellnerin nach und deutete mit ihrem Stift auf die Zeile. »Es wird allgemein gelobt.«
    »Und was ist mit der Kalbfleisch— Schinken- Terrine?«, fragte Prudence.
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Ich rate ab, Madam. Die Sülze ist nicht mehr ganz frisch ... dafür ist Kabeljau mit Chips zu empfehlen.«
    Prudence verzog das Gesicht. »Von Kabeljau habe ich für mein ganzes Leben genug. Was meinst du, Con?«
    »Welsh rarebit«, entschied Constance. »Und eine Kanne Tee.« Leise fügte sie, Prudence zugewandt, hinzu: »Ich traue hier dem Kaffee nicht.«
    »Dann also dreimal Welsh rarebit und eine Kanne Tee für drei.« Die Frau kritzelte es auf ihren Block.
    »Wir erwarten noch jemanden«, sagte Chastity. »Mr. Henry Franklin.«
    »Ach, Mr. Franklin nimmt immer Sardinen auf Toast«, sagte die Kellnerin. »Tagtäglich ... ob Regen, ob Sonne, immer Sardinen auf Toast.« Sie blickte sie neugierig an. »Sie sind neu in der Stadt? Wohl Bekannte von Mr. Franklin?«
    »Ja«, gab Prudence lächelnd zu.
    Sichtlich von Neugierde geplagt, zögerte die Kellnerin, doch die ruhige Gelassenheit der drei lächelnden Damen nahm ihr sozusagen den Wind aus den Segeln. »Dann bringe ich auch Mr. Henrys Sardinen mit einer zusätzlichen Tasse.« Sie nahm ihren Block und ging.
    Einige Minuten später betrat Henry Franklin das Café . Er sah sich beklommen und argwöhnisch um, ehe er sich dem Tisch näherte und seinen Schal

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