Geliebter Teufel
Fleisch und Blut meiner engsten Verwandten. Du glaubst doch nicht etwa, ich hätte dich der Gnade des Schurken ausgeliefert?«
Sie lächelte wieder und empfand eine weitaus größere Erleichterung als zuvor. »Du hättest mich dann versorgen müssen. Gefallene Frauen lassen sich heutzutage nicht so gut unterbringen.«
Ihr Onkel lächelte auch. »So ist das nun auch wieder nicht. Du bist Amerikanerin, schön und ganz offenbar eine Lady.«
Unruhig rutschte Carly ein wenig auf ihrem Sitz herum. Einen Moment lang war ihr so zumute wie in dem Augenblick, als Ramon erklärt hatte, er werde nur eine Frau spanischer Herkunft heiraten; überdeutlich spürte sie, was sie war -ein Gassenkind aus den Kohlengruben.
»Hier draußen«, erklärte Onkel Fletcher, »sind Frauen wie du eine Seltenheit. Was meinst du, wie außer sich Vincent Bannister war, als er erfuhr, daß du entführt worden warst. Er hat sofort angeboten, diese Verbrecher selbst zu verfolgen. Aber natürlich hatte ich das nicht zugelassen. Vince kommt immerhin aus der Stadt. Er hat keine Ahnung, wie es bei einer Verbrecherjagd durch die Wälder zugeht.«
Nein, das hatte er bestimmt nicht. Wenn sie den hellhaarigen Vincent Bannister schon zuvor für einen Lebemann gehalten hatte, dann erschien er ihr jetzt im Vergleich zu Ramon eher wie ein Angeber.
»Übrigens wird er mit seinem Vater Ende nächster Woche hierherkommen. Er hat sich Sorgen um dich gemacht. Ich habe ihn natürlich schon benachrichtigt, daß du wohlbehalten zurückgekehrt bist, und jetzt möchte er dich gern besuchen.«
»Das ist sehr nett von ihm, Onkel. Ich hoffe nur, er...«
Sein Blick wurde leicht durchdringend. Die Adern auf seiner Stirn traten deutlich hervor. »Was denn, meine Liebe? Du willst doch nicht sagen, daß du ihn nicht sehen willst?«
»Vincent ist sehr nett. Ich hoffe nur, er nimmt nicht an, daß ich ... an ihm interessiert bin.«
»Soll das heißen, du bist es nicht? Wieso, wenn ich fragen darf - und es sollte auf keinen Fall etwas mit diesem Bastard El Dragon zu tun haben.«
Carly richtete sich etwas gerader auf. »Na-natürlich nicht.«
»Wenn ich herausfinde, daß du mich belogen hast, Caralee -wenn sich herausstellt, daß du doch ein Kind von diesem Verbrecher bekommst, schwöre ich, werde ich ...«
»Was wirst du tun, Onkel Fletcher?« Carly sprang auf. »Mich irgendwo hinschicken, wo du mich nicht mehr siehst? Mich enterben? Mich verstoßen, daß ich mich allein durchschlagen muß?«
Ihr Onkel hieb mit der Faust auf den Tisch und wurde knallrot. »Natürlich nicht. Das habe ich nicht gemeint.« Er fuhr sich mit der Hand durch das leicht ergraute, kastanienbraune Haar. »Setz dich, Caralee. Eins wollen wir gleich mal klären.«
Sie kam seiner Aufforderung nach, setzte sich auf die Kante des Stuhls und faltete ihre Hände sittsam im Schoß.
»Was ich über Männer gesagt habe, ist die Wahrheit. Es gibt eine große Auswahl hier, aber nur wenige von ihnen besitzen die Erziehung, den Reichtum und den Einfluß, den die Bannisters haben. Und diese kleine Eskapade wird kaum deinen Ruf verbessern. Vincent Bannister will dich heiraten. Das hat er mir ganz offen gesagt.«
»Vincent will mich hei-heiraten?«
»Ja, das will er. Warum auch nicht? Du bist eine wunderschöne junge Frau und gut erzogen im gesellschaftlichen Umgang - dafür habe ich persönlich gesorgt. Er will dich zur Frau haben, und ich halte das für eine verdammt gute Idee.«
Sie bemühte sich, nicht ihre Beherrschung zu verlieren, aber es war nicht leicht. »Nun, ich glaube, das ist eine furchtbare Idee. Ich kenne Vincent Bannister doch kaum.« Sie zerknüllte ihren Rock, stellte sie betroffen fest und ließ den Samtstoff los, in den sie vor Nervosität ihre Finger gekrallt hatte. Rasch glättete sie den Stoff.
»Es tut mir leid, meine Liebe, ich wollte dich nicht aus der Fassung bringen. Vielleicht hätte ich es Vincent überlassen sollen, dir das zu sagen, aber nach dem, was passiert ist, bin ich doch sehr dafür, daß du nicht lange zögerst. Eine Ehe mit Vincent wird dir den Zugang zu den richtigen Gesellschaftskreisen verschaffen. Das wünsche ich mir für dich, Caralee. Und ich werde dafür sorgen, daß du das auch bekommst.«
Oder will er das für sich? fragte sich Carly. Einmal hatte er ihr erzählt, er wolle in die Landkommission berufen werden. Er hatte auch erwähnt, daß die Bannisters in dem Bereich einen großen Einfluß besaßen. Unwillkürlich dachte sie an das, was Ramon ihr
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