Geliebter Teufel
Ich bin nicht ganz unschuldig daran. Ich glaube nicht, daß sie sich so benommen hätte, wenn wir ihr etwas mehr Zeit gelassen hätten.«
Vincent beugte sich vor. »Sie glauben also, sie hat es nur getan, um Ihnen zu trotzen? Und in Wirklichkeit hat sie doch etwas für mich übrig gehabt?« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine braunen Augen leuchteten zufrieden. »Ja, das muß es sein. Wie gesagt, sie kannte den Mann schließlich kaum. Mein Gott, wer weiß, in welchem Elend sie jetzt steckt! Aber das ist wohl unser beider Pech.«
Vincent fuhr fort, Carlys schreckliche Situation zu bedauern, aber Fletchers Gedanken wanderten mit einem Mal in eine ganz andere Richtung.
»Entschuldige, Vincent. Was hast du vorhin gesagt... daß sie ihn doch kaum kannte?«
»Richtig.«
Gedankenversunken rieb er sich das Kinn. »Vielleicht kannte sie ihn besser, als wir ahnen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ramon de la Guerra könnte mit diesem Verbrecher, El Dragon, etwas zu tun haben. Er und Caralee waren vielleicht zusammen, als sie in den Bergen gefangengehalten wurde.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß da etwas Wahres dran sein soll«, widersprach William ihm. »Die Familie de la Guerra hat ein hohes Ansehen. Außerdem war Don Ramon an dem Abend bei uns, als der spanische Dragon die Kutsche überfallen hat.«
»Sicherlich, aber er kann trotzdem damit zu tun haben. Falls das so ist, wäre es denkbar, daß de la Guerra die Entführung befohlen hat. Zwischen uns herrscht eine große Feindschaft. Es würde zu ihm passen, sich etwas anzueignen, was mein ist... möglicherweise sogar meine Nichte. Wenn dieser Bastard ihr die Unschuld geraubt hat, wird Carly sich verpflichtet gefühlt haben, ihn zu heiraten.«
»Sollte das tatsächlich stimmen«, mischte sich Vincent ein, »warum hätte sie es dann geheimgehalten, nachdem sie entkommen war?« Ganz offensichtlich gefiel dem jungen Mann die erste Erklärung besser, aber Fletcher war auf den Gedanken gekommen, daß er auf die Wahrheit gestoßen sein mochte.
»Ich weiß es nicht.« Er lehnte sich auf dem grünen Brokatzweisitzer zurück und trommelte mit seinen fleischigen Fingern gegen das Glas. »Aber sobald ich nach del Robles zurückgekehrt bin, werde ich mich bemühen, das herauszufinden.«
Seit Ramons Rückkehr war eine Woche vergangen. Eine Woche leidenschaftlicher Küsse und heißer Nächte, stürmischer Liebe und vieler Geheimnisse, was den muskulösen Körper ihres Mannes betraf. Einmal machten sie sich auf den Weg zu einem Ort, der auf del Robles’ Land lag, einem verschwiegenen Fleckchen, wo Ramon schon als Junge gewesen war. Ein schmaler Wasserfall ergoß sich von einem hohen Felsrand in einen seichten Teich, der von Nadelbäumen umgeben war. Dort liebten sie sich in dem weichen Gras neben dem Teich.
Carly lächelte, als sie sich an diesem Morgen daran erinnerte, schwang die Beine über die Bettkante und stand auf. Ramon war bereits weg. Er half den Männern bei der Arbeit für die Herbst- matanza . Alle hatten hart zugepackt, die Rinder zusammengetrieben, Kälber mit Brandzeichen versehen, fremde Ausreißer-Tiere von der Herde getrennt und die Tiere danach sortiert, ob sie geschlachtet oder verkauft wurden.
Carly reckte sich und gähnte. Ihr Rücken war ein wenig steif von den vielen Stunden, die sie damit zugebracht hatte, an den Talgtöpfen zu stehen, den großen Eisenkesseln, die benutzt wurden, um das Fett von den geschlachteten Stieren zu erhitzen. Es wurde zu Schmalz ausgelassen, das sie teils behielten und teils verkauften. Etwas Talg wurde auch gelagert, um später Seife und Kerzen daraus zu machen.
Selbst Ramons Mutter und seine Tante faßten mit an. Offenbar freuten sie sich, daß Carly nicht im geringsten zögerte, kräftig mitzuhelfen.
Sie trug einen schlichten, grauen Baumwollrock und eine weiße Bluse, legte sich ein Umhängetuch über die Schultern und verließ das Haus. Draußen herrschte bereits große Geschäftigkeit. Die Vaqueros sattelten ihre Pferde, und aus der Küche kamen die Stimmen der Männer, die den Rest ihres Frühstücks aßen. Die alte Blue war seit geraumer Zeit auf, hantierte mit Töpfen und Pfannen in der Küche herum, stellte Blechteller auf den Tisch. Selbst auf dieser kleinen Ranch war die Köchin weit vor dem Morgengrauen auf, entfachte das Feuer, kochte Kaffee und Kakao, briet Tortillas und Fleisch.
Carly half ihr eine Zeitlang, genoß den köstlichen Duft des Essens und die gute Laune der Frauen. Aber sobald die
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