Geliebter Tyrann
dem Kaminsims. Ihm war gar nicht bewußt geworden, daß es schon Weihnachten war. Die letzten Monate seiner privaten Hölle, die ununterbrochene Nörgelei von Bianca, verblaßten in der Entfernung.
»Nicole wird morgen einen Truthahn braten, und Mr. Wesley und Mr. Travis werden unsere Gäste sein«, sagte Mandy.
Clay sah zu Wes hinüber. »Glaubst du, es wäre noch Platz für einen dritten Gast?«
Die Männer wechselten einen Blick. »Das muß Nicole entscheiden.«
Clay sah Nicole einen Moment an und wartete auf eine Antwort.
Nicole spürte, wie ihr Zorn wieder Oberhand gewann. Er benützte sie abermals als Werkzeug! Er verbrachte mit ihr mehrere Tage im Bett, sagte ihr, daß er sie liebe, und ließ sie dann plötzlich auf ihrer Türschwelle zurück wie ein Gepäckstück. Nun schneite er nach monatelangem Schweigen plötzlich wieder herein, und was verlangte er von mir? Daß ich ihm zur Begrüßung seine Füße küsse! Mit steifem Rücken drehte sie sich von ihm weg. »Natürlich seid ihr beide, du und Bianca, willkommen. Ich bin überzeugt, ihr wird der Truthahn genauso gut schmecken wie allen anderen.«
Wesley unterdrückte ein Lachen, während er beobachtete, wie sich auf Clays Stirn eine Falte bildete.
»Bianca kann nicht...«, begann Clay.
»Ich bestehe darauf!« sagte Nicole in schärferem Ton. »Muß ich betonen, daß der eine ohne den anderen nicht willkommen ist?«
Plötzlich konnte Clay die Atmosphäre dieses Hauses nicht mehr ertragen. Die Menschen merkten gar nicht, was für ein Bild sie abgaben. Wes lehnte sich in einem Stuhl zurück und rauchte eine Pfeife, die er sich vom Kamin genommen hatte. Die Zwillinge stopften mit glücklichen Gesichtern einen Krapfen nach dem anderen in den Mund. Die Erwähnung von Biancas Namen erinnerte Clay an das Unglück seines eigenen Haushalts.
Er stand auf. »Nicole, könnte ich mit dir reden?« fragte er leise.
»Nein«, sagte sie fest. »Noch nicht.«
Er nickte und verließ die Wärme dieses Hauses.
Bianca erwartete ihn schon, als er nach Arundel Hall zurückkam. »So! Du konntest dich also nicht von ihr fernhalten, nicht wahr?«
Er schob sich an ihr vorbei, ohne ihr eine Antwort zu geben.
»Der Mann, der in den Ställen die Aufsicht führt, kam zu mir und fragte, wo du wärst. Er machte sich Sorgen, daß du dich verletzt haben könntest, da dein Pferd allein in den Stall zurückkehrte. Deine Leute machen sich ständig deinetwegen Sorgen -und auch meinetwegen! Niemand in diesem Haus kümmert sich um mich.«
Clay drehte sich um und blickte sie höhnisch an. »Du bist so sehr um dich selbst besorgt, daß für andere nichts mehr bleibt. Hast du daran gedacht, daß morgen Weihnachten ist?«
»Natürlich! Ich habe den Dienstboten Anweisung gegeben, mir morgen eine besondere Mahlzeit zuzubereiten. Allerdings werden sie sich, wie gewöhnlich, nicht an meine Befehle halten, und du wirst nichts unternehmen, um ihnen endlich Gehorsam beizubringen.«
»Eine Mahlzeit! Das ist deine wichtigste Sorge, nicht wahr?« Plötzlich stürzte er sich auf sie und packte ihr Kleid am Halsausschnitt. »Ich kann dir deinen Wunsch erfüllen. Morgen gehen wir zu Nicole zum Essen!« Vielleicht würde Nicole nie begreifen, wie unglücklich er war, wenn er sie mit Bianca zusammen sah; aber er wünschte sich so sehr, den Weihnachtstag mit Nicole verbringen zu dürfen, daß er sogar bereit war, alle mit dieser abscheulichen Bianca zusammenzubringen. Vielleicht würde sie nur essen und dabei den Mund halten.
Sie versuchte, sich von ihm loszureißen; doch es gelang ihr nicht. Seine Nähe bereitete ihr Übelkeit. »Ich werde nicht hingehen!« schnaubte sie.
»Dann werde ich Anweisung geben, daß in diesem Haus den ganzen Tag über kein Essen serviert wird.«
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Das wirst du nicht tun!«
Er stieß sie von sich, daß sie gegen die Wand taumelte. »Du machst mich krank. Du wirst gehen, und wenn ich dich hinschleppen müßte.« Er blickte sie von Kopf bis Fuß an. »Wenn ich das kann. Aber, Himmel, wäre das schön, von dir befreit zu
sein.«
Er hielt inne, erschrocken über das, was er gesagt hatte. Er wandte sich ab, ging in die Bibliothek und warf die Tür hinter sich zu.
Bianca stand einen Moment still und starrte auf die Tür. Was hatte er damit gemeint? Daß er sie loswerden wollte?
Sie drehte sich um und ging langsam die Treppe hinauf. Nachdem sie Clay die Landkarte gegeben hatte, hatte Abe sie aufgesucht. Er blutete aus einer Stichwunde
Weitere Kostenlose Bücher