Geliebter Tyrann
dunklen Brauen bildeten einen dunklen Strich über seinen Augen.
»Was machen wir mit dem?« sagte Travis, und seine Stimme zitterte vor Empörung. Er deutete auf Isaac, der bewußtlos im Schlamm lag. Die Bandagen um sein Bein färbten sich wieder rot von frischem Blut. Er hatte eine häßliche Beule am Unterkiefer, wo ihn ein Faustschlag getroffen haben mußte.
»Isaac!« keuchte Nicole und befreite sich aus Clays Armen. Im Nu war sie bei dem Jungen. »Wie konntest du so etwas tun?« fragte sie und funkelte Travis wütend an. »Er hat mir das Leben gerettet. Hast du dich nicht gewundert, daß er am Bein verwundet ist? Wenn ich seine Gefangene wäre, hätte ich mit Leichtigkeit fliehen können.«
Travis blickte amüsiert auf Nicole hinunter. »Ich schätze, ich hatte gar keine Zeit, mir sein Bein zu betrachten. Ich kam um die Hütte herum, und er stürzte mit einem Messer auf mich zu.« Mit einem Augenzwinkern setzte er hinzu: »Ich schätze, ich hätte mich erst einmal zurückziehen und die Situation überdenken sollen.«
»Entschuldigung«, sagte Nicole. »Ich glaube, meine Nerven sind ein bißchen überreizt.« Dann begann sie rasch, die blutigen Stoffstreifen von Isaacs Bein zu wickeln. »Clay, gib mir dein Hemd. Ich brauche einen frischen Verband.«
Als Nicole sich umdrehte, um das Hemd entgegenzunehmen, blickte sie zu den drei Männern auf, die mit nacktem Oberkörper vor ihr standen und ihr alle drei ihre Hemden reichten. »Vielen Dank«, flüsterte sie und schluckte ihre Tränen hinunter. Es war ein gutes Gefühl, wieder nach Hause zu kommen.
15
Nicole hielt inne, die Nähnadel in der Hand, während sie zum hundertsten Mal zum Fenster blickte. Sie brauchte nicht mehr die Tränen niederzukämpfen, weil ihre Tränen schon lange versiegt waren. Es waren inzwischen fast zwei Monate vergangen, seit sie Clay zuletzt gesehen hatte. In der ersten Woche war sie verwirrt gewesen, sprachlos, betäubt. Dann hatte sie wochenlang geweint. Nun war ihr Körper wie abgestorben, als hätte man einen Teil des Fleisches herausgeschnitten und der noch verbleibende Rest versuchte, mit diesem Mangel zurechtzukommen.
Nachdem Clay sie von der Insel fortgeholt hatte, hatte er Nicole in die Mühle zurückgebracht. Während der langen Reise flußabwärts zur Armstrong-Plantage hatte Clay sie nicht einen Moment losgelassen. Er hatte sie zuweilen so fest an sich gedrückt, daß sie kaum Luft bekam. Aber das hatte sie nicht gestört. Seine Arme um ihren Körper waren alles, was sie sich wünschte.
Als sie die Grenze der Plantage erreicht hatten, hatte Clay Travis befohlen, die Schaluppe erst am Steg der Mühle festzumachen. Nicole hatte ihn verwundert angesehen, denn sie rechnete fest damit, daß sie mit ihm ins Haus zurückkehren würde. Nachdem er sie noch einmal fast verzweifelt an sich gedrückt hatte, ließ er sie los. Dann war er in das Boot zurückgesprungen und hatte sich kein einziges Mal mehr umgesehen, während Travis mit dem Boot zu Clays Mole segelte.
Tagelang hatte Nicole nach Clay Ausschau gehalten. Als er sich nicht blicken ließ, hatte sie nach Gründen gesucht, die ihn entschuldigten. Sie wußte, daß Bianca immer noch mit ihm unter einem Dach lebte. Vielleicht dauerte es länger, ein Schiff zu finden, das sie nach England zurückbrachte.
Als ein Monat verstrichen war und sie immer noch nichts von Clay hörte, fingen die Tränen an zu fließen. Sie hatte ihn wechselseitig verflucht und ihm verziehen, ihn verstanden und ihn wieder verflucht. Hatte er sie belogen, als er sagte, er liebte sie? War Biancas Macht über ihn stärker, als sie geglaubt hatte? Sie war zu wütend auf ihn, um noch klar denken zu können.
»Nicole«, sagte Janie leise- es wurde jetzt im Haus viel geflüstert. »Warum nimmst du nicht die Zwillinge und schneidest mit ihnen ein paar Mistelzweige? Es sieht so aus, als würde es heute schneien. Wes wollte später noch vorbeikommen, und wir können das Haus für Weihnachten schmücken.«
Langsam stand Nicole auf; aber ihr stand nicht der Sinn danach, Weihnachten zu feiern.
»Du wirst die Ostwand meines Hauses nicht herausreißen lassen«, sagte Clay mit ernster Stimme.
Bianca betrachtete ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Spott. »Dieses Haus ist zu klein! Es wäre gerade gut genug für den Pförtner!«
»Dann würde ich dir raten, nach England zurückzukehren.«
»Ich lasse mir von dir keine Unverschämtheiten gefallen! Hörst du mich? Hast du meine Vettern vergessen?«
»Ich kann
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