Geliebter Tyrann
auf ihre Rede nicht reagierte. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen, um ihn ansehen zu können. »Clay, stimmt etwas nicht?«
»Es ist alles in Ordnung«, sagte er tonlos. »Wenigstens wird | alles in Ordnung kommen.«
»Was meinst du damit? Etwas stimmt nicht. Ich sehe es dir an.«
»Nein, es ist nichts. Nichts Ernsthaftes jedenfalls. Nichts wird unsere Pläne Umstürzen.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Clay, ich kenne dich, und ich weiß, daß du ein Problem hast. Du hast Bianca kein einzigesmal erwähnt; doch ich breite alle meine Sorgen vor dir aus.«
Er sah sie mit einem leisen Lächeln an. »Du weißt doch gar nicht, wie man seine Sorgen ausschüttet. Du bist so gütig, so voller Liebe, so voller Vergebung, daß du die Hälfte der Zeit nicht einmal merkst, wie die Leute dich ausnützen.«
»Mich ausnützen?« Sie lachte. »Niemand nützt mich aus.«
»Ich tue es, die Zwillinge tun es, deine Mutter, deren Mann und sogar Janie nützen dich aus. Wir alle zehren nur von dir.«
»Du sprichst, als wäre ich eine Heilige. Es gibt viele Dinge, die ich vom Leben verlange; doch ich bin praktisch veranlagt. Ich weiß, daß ich warten muß, bis ich bekomme, was ich mir wünsche.«
»Und was wünschst du dir?« fragte er leise.
»Dich. Ich möchte dich und mein eigenes Heim und die Zwillinge haben. Und vielleicht noch ein paar andere Rinder -deine Kinder.«
»Die wirst du haben! Das schwöre ich! Es wird alles dir gehören.«
Sie starrte ihn ein paar lange Sekunden an. »Ich möchte wissen, was nun nicht stimmt. Es hat mit Bianca zu tun, nicht wahr? Hat sie unsere Pläne entdeckt? Wenn sie dich abermals erpressen will, werde ich es diesmal nicht durchgehen lassen. Meine Geduld ist erschöpft.«
Clay legte den Arm fest um sie und zog ihren Kopf an seine Schulter. »Ich möchte, daß du mir zuhörst- die ganze Geschichte-, ehe du ein Wort sagst.« Er holte tief Luft. »Zunächst will ich dir versichern, daß sich dadurch unsere Pläne nicht ändern.«
»Dadurch?«
Sie versuchte, den Kopf zu heben und ihn anzuschauen, doch er hielt sie an seiner Schulter fest.
»Höre mir erst zu, und dann werde ich deine Fragen beantworten.« Er hielt inne und starrte an die Decke. Es war drei Wochen her, seit Bianca ihm gesagt hatte, sie sei schwanger. Zuerst hatte er sie ausgelacht und gesagt, sie lüge. Sie hatte nur dagestanden und ihn selbstzufrieden angelächelt. Sie war es gewesen, die den Doktor holte, damit er sie untersuchte. Seither hatte Clay in der Hölle gelebt. Er konnte die Neuigkeit nicht glauben. Er hatte lange gebraucht für seinen Entschluß, daß Nicole ihm mehr bedeutete als das Kind, das Bianca unter dem Herzen trug.
»Bianca ist schwanger«, sagte er leise. Als Nicole nicht reagierte, fuhr er fort »Der Doktor kam und bestätigte es. Ich habe
lange darüber nachgedacht, und dann beschloß ich, daß wir trotzdem unseren Plan verwirklichen, Virginia zu verlassen. Wir werden gemeinsam an einem neuen Platz unser Heim errichten.«
Nicole sagte immer noch kein Wort. Sie lag so still an seiner Schulter, als hätte er die ganze Zeit geschwiegen. »Nicole? Hast du mir zugehört?«
»Ja«, sagte sie mit ruhiger Stimme.
Er lockerte seinen Arm um sie, damit er sich von ihr wegbewegen und ihr Gesicht sehen konnte.
Ohne ihm in die Augen zu sehen, setzte sie sich auf, wandte ihm den Rücken zu und zog langsam ihr Hemd über den Kopf.
»Nicole, ich wünschte mir, du würdest etwas sagen. Ich hätte dir gar nichts davon gesagt, wenn Bianca es nicht schon in der halben Grafschaft herumerzählt hätte. Ich wollte nicht, daß du es von einem anderen hörst. Ich dachte, ich sollte es dir selbst sagen.«
Sie sagte keinen Ton, als sie in ihr Kleid schlüpfte, erst den einen wollenen Strumpf hochrollte, dann den anderen.
»Nicole!« rief Clay, faßte sie dann an den Schultern, um sie zu sich herumzudrehen. Ihm stockte der Atem, als er ihr wieder ins Gesicht sah. Ihre braunen Augen, die ihn immer so warm und voller Liebe anblickten, waren kalt und hart.
»Ich glaube nicht, daß es dir recht wäre, wenn ich etwas dazu sagte.«
Er zog sie an sich; doch ihr Körper war steif. »Bitte, rede mit mir. Laß uns in aller Offenheit darüber diskutieren. Sobald die Luft wieder rein ist, werden wir über unsere Pläne sprechen können.«
Sie starrte ihn mit einem halben Lächeln an. »Pläne? Du planst, fortzugehen und ein unschuldiges Kind zurückzulassen, um das sich niemand außer Bianca kümmern wird? Glaubst du, diese
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